Zacharias und Elisabeth im Schloß Eutin

ZACHARIAS UND ELISABETH 1747 – 1758
Das russische Linienschiff im Schloß Eutin

Zuerst veröffentlicht in:
DAS LOGBUCH 1995/4,
Arbeitskreis historischer Schiffbau e.V., Köln.
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PDF/HTML/EPUB-Umsetzung: Bodo van Laak

Am Eutiner See, in der idyllischen Holsteinischen Schweiz gelegen, befindet sich eines der schönsten Wasserschlösser Norddeutschlands. Einstmals der Sitz der Gottorfer Fürstbischöfe und spätere Residenz der Großherzöge von Oldenburg, ist Schloß Eutin heute dem Schiffbauhistoriker besonders durch einige russische Schiffsmodelle des 18. Jahrhunderts bekannt geworden. Zuerst von August Köster 1926 in seinem Buch „Modelle alter Segelschiffe“ vorgestellt, sind seit vier Jahrzehnten zwei dieser Modelle und seit einiger Zeit die übrigen den Besuchern des Schlosses zugänglich (z. Zt. ist das Schloß allerdings wegen Renovierungsarbeiten geschlossen). Es handelt sich dabei um einen Dreidecker von 100 Kanonen und eine 26 Kanonen-Fregatte, die 1953/54 restauriert wurden, und die fünf später im Bericht besprochenen. Im Lichte des dreihundertsten Geburtstages der Russischen Flotte kommt die Eutiner Sammlung mehr in den Blickpunkt, und das Modell des Dreideckers soll hier einmal näher betrachtet werden.

Abb. 1: Seitenansicht des russischen Schiffes des 1. Ranges ZACHARIAS UND ELISABETH von 1745. Restauriert 1953/54 vom Autor. Privatsammlung S.K.H. des Erbgroßherzogs von Oldenburg im Schloß Eutin. (Photos und Zeichnungen vom Autor)

Abb. 1: Seitenansicht des russischen Schiffes des 1. Ranges ZACHARIAS UND ELISABETH von 1745. Restauriert 1953/54 vom Autor. Privatsammlung S.K.H. des Erbgroßherzogs von Oldenburg im Schloß Eutin. (Photos und Zeichnungen vom Autor)

A. Käster bezeichnete es als das erste russische 100 Kanonen-Schiff PETER I. & II. von 1727, und seinen Worten gemäß soll es von der Zarin Elisabeth I. ihrem Neffen und Thronfolger Peter, Herzog von Holstein-Gottorp (1728-1762), dem späteren Zaren Peter III, zusammen mit den anderen Modellen in seinen Jugendjahren überlassen worden sein. Immer wieder erzählt und auch in der Museumsschrift des Schlosses abgedruckt, ist dies eine interessante Geschichte für das allgemeine Publikum, aber die Fakten sprechen eine andere Sprache.

Moderne russische Marinegeschichte begann mit Peter dem Großen und rückte während der Herrschaft Katharina II. (der Großen) wieder in den Vordergrund. Die Zeit zwischen diesen beiden hervorragenden Herrschern wird in maritimen Geschichtsbüchern selten mit mehr als ein paar Worten behandelt. Diese nahezu vier Jahrzehnte mögen sicherlich einen Niedergang in der russischen maritimen Politik und im Schiffbau dargestellt haben, Kredit für die ersten russischen 100 Kanonen-Schiffe kommt jedoch den Herrschern dieser Interim-Periode zu.

Zwar ist der Kiel für das erste der Großschiffe 1723 noch unter der direkten Leitung von Peter I. gelegt worden, es wurde aber erst nach seinem Tode in 1725, im Anfang der kurzen Regierungszeit Peter II., von verschiedenen Schiffbaumeistern fertiggestellt und lief 1727 unter dem Namen PETER I. & II. vom Stapel. Dieses erste 100 Kanonen-Schiff der Russischen Flotte existierte für ungefähr 20 Jahre und wurde noch 1744 als in Kronstadt im Dock liegend erwähnt. Das zweite, etwas größere Schiff von 110 Kanonen, ebenfalls nach der derzeitigen Herrscherin IMPERATRITSA ANNA benannt, wurde 1737 in St. Petersburg von dem englischen Schiffbauer P. Brown für die Zarin Anna I. gebaut.

Weitere zwei 100 Kanonen-Schiffe liefen während der Regierungszeit Elisabeth I., der Tochter Peter des Großen, vom Stapel. Das erste, die ZACHARIAS & ELISABETH wurde 1747 durch den russischen Schiffbaumeister Dmitry Schcherbatchev geschaffen. Es war das bislang größte Schiff von der Hand eines russischen Schiffbauers. SV. DMITRY ROSTOVSKY, das zweite entstand 1758 unter der Regie des Engländers John Sutherland, der 1737 von Holland kommend in den russischen Dienst trat und neben etlichen 66 Kanonen-Schiffen (Dritter russischer Rang) auch drei 80 Kanonen-Schiffe (Zweiter Rang) schuf.

Das Baumaterial dieser Schiffe war jedoch nicht die dauerhafte Eiche und zähe Ulme der Schiffe Westeuropas, und die durchschnittliche Lebensdauer der Russischen Flotte war dementsprechend geringer. In den ca. 1 1/2 Jahrhunderten der Russischen Segelschiffs-Marine gab es nur 28 Schiffe des ersten Ranges. Die Zeitabstände zwischen den Stapelläufen und die relativ kurze Dienstfähigkeit der Schiffe berücksichtigend waren die meisten dieser Großschiffe wohl als Ersatz für das unbrauchbar werdende existierende Flottenflaggschiff gedacht.

Das dreidimensionale Bildnis eines der genannten vier Dreidecker ist in dem großen Modell im Schloß Eutin erhalten. Nicht PETER I. & II., das war mir von Anfang an klar, aber welcher? Dieser Frage stand ich gegenüber, als mich im Frühjahr 1953 Herr v. Heeringen, der derzeitige Direktor der Liegenschaften des Erbgroßherzogs von Oldenburg, nach Eutin einlud um die sehr stark vom Zahn der Zeit benagten sieben aus Rußland stammenden Schiffsmodelle zu untersuchen und die Dringlichkeit der einzelnen Restaurierungen zu besprechen. Die im Schloß befindliche Modellsammlung bestand aus dem unter aufgerollten Segeln befindlichen Dreidecker, dem Rumpfmodell einer völlig in sich zusammengebrochenen 26 Kanonen-Fregatte, ein größerer, mit Segeln getakelter Zweidecker, ein Zweidecker von geringerem Maßstab, ein großes Handelsschiff, ein Rumpfmodell und das unter dem Namen Fregatte AUGSBURG bekannte Halbmodell. Dieses Modell ist aber nicht das einer Fregatte, sondern eines Dreideckers mit 14 Stückpforten pro Deck und muß zu den russischen Schiffen des ersten Ranges gezählt werden.

Abb. 2: Das Modell kurz vor der Beendigung der Restaurierung. Der Vergleich zwischen dem Autor und dem Modell läßt die Größe des Modells erkennen.

Abb. 2: Das Modell kurz vor der Beendigung der Restaurierung. Der Vergleich zwischen dem Autor und dem Modell läßt die Größe des Modells erkennen.

Beide Dreidecker sind die ältesten Modelle der Sammlung. Die anderen sind zwischen 20 und 30 Jahre jünger und gehören in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Es wurde entschieden, den großen Dreidecker und die Fregatte sofort zu restaurieren, was auch zwischen Juli 1953 und März 1954 erfolgte. Sehr stark vom Wurmfraß befallen hatte der erstere schon einmal vorher eine stümperhafte Restaurierung erdulden müssen, wobei die Takelung durch hinzugefügte Royals u.a. stark verfälscht wurde. Die immer noch originalen Segel wurden, wie erwähnt, aufgetucht und fehlende Dekorationen durch Bleiornamente ersetzt. Die 26 Kanonen-Fregatte war im Unterwasserschiff bereits völlig zusammengebrochen, erhebliche Teile von Bug und Heck waren zerstört oder fehlten und auch sonst war das Modell sehr stark wurmfraßbeschädigt. Der über 2 m lange, noch ziemlich gut erhaltene, vollbesegelte Zweidecker wurde 1955 im Altonaer Museum restauriert und verblieb dort als Leihgabe.

Abb. 3: Der Spiegel der ZACHARIAS UND ELISABETH

Abb. 3: Der Spiegel der ZACHARIAS UND ELISABETH

Genau wie eine möglichst akkurate Restaurierung dieser wichtigen Modelle lag mir die Identifizierung des Dreideckers am Herzen. Eine Aufgabe, nicht weniger schwierig als die manuelle Arbeit der Wiederherstellung selbst. Gewisse Bauelemente des Modells wiesen auf einen Zeitabschnitt nach 1723 hin, damit die Köster-Vermutung von vorn herein ausschließend. Korrespondenz während der 1953/54 Arbeiten mit dem englischen Schiffbauhistoriker R. C. Anderson führte zu weiteren Informationen über die ersten 100 Kanonen-Schiffe der Russischen Flotte. Die Modell-Galionsfigur eines weiblichen Herrschers mit Schwert und Reichsapfel ließ Anderson auf die 1MPERATRITSA ANNA tippen. Jedoch konnten bei der Zugrundelegung eines 3/8 Zoll : 1 Fuß Maßstabes (1 : 32) die 186 Fuß Zwischendecklänge und die 49 Fuß 10 Zoll Breite über die Spanten dieses Schiffes nicht mit den Maßen des Modells vereinbart werden. Außerdem war da noch der „kleine“ Unterschied der 110 Kanonen des Schiffes gegen die 100 möglichen des Modells.

Ein direkter Identifizierungspunkt wurde 1957 in Korrespondenz mit Herrn Demidow, dem damaligen Direktor des Russischen Zentralen Marine-Museums, offenbar. Er bezeichnete unter den frühen Schiffen des 1. Ranges die ZACHARIAS UND ELISABETH als das erste mit einem Rundgatt. PETER I. & II. und IMPERATRITSA ANNA waren demzufolge mit einem Plattgatt gebaut.

Die Modell-Abmessungen stimmten im wesentlichen mit den 1987 durch Herrn A. Aleshin des Russischen Zentralen Marine-Museums in St. Petersburg (dann Leningrad) erlangten Abmessungen des dritten Schiffes überein, und es wurde möglich, die ersten beiden auch in dieser Hinsicht auszuschließen. Die Länge über das Zwischendeck, die Breite und die Tiefe im Hol waren bei der Annahme des oben angeführten Maßstabs nicht nur für die des Modells zutreffend, eine ungefähre Übereinstimmung mit den um 1745 in der Britischen Flotte bestehenden Dimensionen war ebenfalls erkennbar. Diese waren aber nur zufällig, denn die Abmessungen für russische Schiffe halten keine direkte Beziehung zu den Establishments der Royal Navy. Sie wurden bereits 1718 von Peter I. angeregt, dann von einem Gremium der in Rußland ansässigen Schiffbauern abgefaßt und kurz nach seinem Tode 1725 von der Zarin Katharina I. erlassen. Diese generellen Abmessungen für 100, 80, 66, 54 und 32 Kanonenschiffe blieben bis 1777 in Kraft.

Ein weiterer Punkt, auf das dritte Schiff hinweisend, war die zwar sehr stark englisch beeinflußte Rumpfbauweise, die aber in ihren Dekorationen und der Spiegelauslegung eine russische Hand spüren ließ. Die benutzten Stilelemente für Stückpfortendekorationen waren einmal rund und zum anderen rechteckig. Runde wurden auf englischen Schiffen nur bis ca. 1710 für Oberdeckpforten benutzt, waren aber auf frühen russischen Schiffen noch im fünften Jahrzehnt deutlich, während die rechteckigen bereits nach 1670 von englischen Schiffen verschwanden und im holländischen Schiffbau noch bis 1725 zu finden waren. Ein englischer Schiffbauer wie John Sutherland, der erst 1737 nach Rußland kam, hätte sich sicherlich nicht so freizügig gemischter und verflossener Stilelemente bedient. Die ungezwungene Benutzung dieser Bauweise weist eher auf einen in Rußland ausgebildeten, unter dem Einfluß unterschiedlicher internationaler Schiffbauer sich entwickelnden, einheimischen Schiffbauer wie Dmitrv Schcherbatchew hin.

Abb 4: Rundhaus und Galionsregel, Kranbalken und Pfortenornamente

Abb 4: Rundhaus und Galionsregel, Kranbalken und Pfortenornamente

Abb. 5: Die mittschiffs liegende Fallreepspforte während der Restaurierung des Modells. Alte Decks waren entfernt.

Abb. 5: Die mittschiffs liegende Fallreepspforte während der Restaurierung des Modells. Alte Decks waren entfernt.

Auf eine Zeit nicht später als 1747 verweist auch die Galionsfigur, die in ihrem Konzept dem englischen der ersten Jahrzehnte, bis ca. 1740, folgt. Eine ähnlich geschaffene Figur ist auch auf dem russischen 80 Kanonen-Schiff SANKT PAUL von 1742 erkennbar. Der Spiegel ist wohl in seinem Stil dem englischen der ersten Jahrhunderthälfte etwas verwandt, aber in seinen Dekorationen russisch. Weitere Fühler der Beschränkung auf die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts sind das Halbdeck, noch hinter dem Großmast endend, der Vorsteven und das konvexe Scheg. Außerdem war die Art der Anbringung des Klüverbaums, die von der englischen erheblich abwich, nicht nur ein Hinweis auf die in Frage kommende Zeit, sondern auch auf einen nichtenglischen Schiffbauer. Der einzige zur Debatte stehende war russisch.

Der Name des Schiffes, ZACHARIAS UND ELISABETH, bezog sich nicht wie der seiner beiden Vorgänger auf den jeweils regierenden Herrscher des Landes, sondern auf die in der orthodoxen Kirche geheiligten Eltern Johannes des Täufers.

Für die Angaben über den Baumeister der ZACHARIAS UND ELISABETH möchte ich Herrn E. Korchagin, Direktor des Russischen Zentralen Marine-Museums, danken. Dmitry Schcherbatchew wurde 1715 unter Peter I. Rekrut der russischen Armee. Als Peter I. zwischen 1722 und 1725 am Unterlauf von Don und Dnjepr zum Schutz gegen die Türken eine große Schwarzmeerflotte bauen ließ, sandte man ihn als Schiffbau-Lehrling nach Woronezh am Don. Der Holländer Jan Eric, der Engländer Baldwin Andrews, Joseph Ney und der Venelianer Giacomo Moro bauten dort in den frühen Jahren des 18. Jahrhunderts Peters Flotte. Es ist möglich, daß diese, wahrscheinlicher aber die von ihnen ausgebildeten Nachfolger, die Lehrherren des jungen Schcherbatchew waren. Zum Offizier avanciert ging er 1734 als Schiffbauer nach Reval, wo er ein Jahr später den Rang eines Majors erhielt. 1740 wurde er Oberst und baute 1740-41 das 66 Kanonen-Schiff ST. PETER und von 1745 bis 1747 die ZACHARIAS UND ELISABETH. Der Fertigstellung des Schiffes folgte 1747 Schcherbalchews Beförderung zum Oberverwaltungs-Kommodore und 1757 zum General-Major. Der Werdegang dieses Mannes läßt seine Wichtigkeit für den russischen Schiffbau erkennen, die, völlig unbekannt im Westen, für die sich entwickelnde Russische Flotte sicher mit dem Einfluß Chapmans, der auch mit dem Rang eines Vizeadmirals geehrt wurde, auf die schwedische Flotte verglichen werden kann.

Abb. 6: Nachdem ein neues Halbdeck eingezogen war, wurde die Hütte wieder errichtet. Davor das doppelte Steuerrad.

Abb. 6: Nachdem ein neues Halbdeck eingezogen war, wurde die Hütte wieder errichtet. Davor das doppelte Steuerrad.

Die für die Identität des Modells mit der ZACHARIAS UND ELISABETH sprechenden Punkte sind also:

  1. Die Übereinstimmung der Maße bei einer Zugrundelegung des Maßstabes 3/8 Zoll : 1 Fuß
  2. Die Verwendung von nicht mehr unter englischen Schiffbauern üblichen Stilelementen an den oberen Stückpforten, die sehr russisch wirkende Bemalung zwischen diesen und
  3. der russisch dekorierte, englisch beeinflußte Spiegel lassen einen russischen Schiffbauer vermuten.
  4. Das Rundgatt des Modells, frühestens an Z & E zu finden.
  5. Die Länge des Halbdecks, der Hütte und der Back sind prae 1750 Abmessungen.
  6. Weitere Bauelemente, die im englischen Schiffbau zur ersten Hälfte des Jahrhunderts gehörten.
  7. Das Setzen des Klüverbaumes 45° neben dem Bugspriet zeigt einmal, daß dieses Schiff bereits außerhalb der Übergangsperiode vom Sprietmast zum Klüverbaum getakelt und zum anderen, daß dabei eine kontinentale Anbringung gewählt wurde.

Der Bau der ZACHARIAS UND ELISABETH begann am 26. Mai 1745 auf der Admirals-Hauptwerft in St. Petersburg. Etwas mehr als zwei Jahre später, am 12. Oktober 1747, wurde das Schiff in Dienst gestellt. Es segelte mit der Kronstadt-Schwadron der Ostsee-Flotte. Gebaut nach dem zweiten Schwedisch-Russischen Kriege, in einer Zeit des Wiedererwachens maritimen Bewußtseins, versah das Schiff seinen Dienst hauptsächlich im Frieden. Wie die meisten Schiffe der Russischen Flotte, von Nadelholz erbaut, war es zu reparaturanfällig, um in dem 1756 ausbrechenden Siebenjährigen Kriege zum Einsatz zu kommen. Es wurde 1759 als zu baufällig außer Dienst gestellt und in Kronstadt abgebrochen.

Die Abmessungen der ZACHARIAS UND ELISABETH

(Russischer Fuß war dem Englischen Fuß gleich,1 Fuß = 0,3048 m)

Länge zwischen den Perpendikeln: 181 Fuß
Breite (nicht als äußerste angegeben): 51 Fuß
Tiefe im Hol: 21 Fuß, 9 Zoll

Bewaffnung:

Unterstes Deck: 28   30-Pfünder
Mitteldeck: 28   18-Pfünder
Oberdeck: 28   12-Pfünder
Halbdeck: 12   6-Pfünder
Back: 4   6-Pfünder
Abb. 7

Abb. 7: Nach den Restaurierungsnotizen, Skizzen und Photos rekonstruierte Linien

Abb. 8: Der Spantenriß

Abb. 8: Der Spantenriß

Abb. 9: Der Spiegel, rekonstruiert entsprechend der Restaurierungsnotizen, Skizzen und Photos

Abb. 9: Der Spiegel, rekonstruiert entsprechend der Restaurierungsnotizen, Skizzen und Photos

Abb. 10: Vorschiffszeichnung mit Galion und Figur (von Steuerbordseite)

Abb. 10: Vorschiffszeichnung mit Galion und Figur (von Steuerbordseite)

Abb. 11: Vorschiffszeichnung mit Galion und Figur (von vorn)

Abb. 11: Vorschiffszeichnung mit Galion und Figur (von vorn)

Wie kamen nun die Modelle nach Eutin? Die von August Köster berichtete Schenkung durch die Zarin Elisabeth I. an den noch jugendlichen Thronfolger wird durch das Alter der ZACHARIAS UND ELISABETH und die zum Teil noch jüngeren anderen Modelle ab absurdum geführt. Außerdem muß dabei gesagt werden, daß Peter der Große in der Petersburger Hauptadmiralität eine Modellkammer schaffen ließ, in der die Modelle und Zeichnungen der in Petersburg gebauten Schiffe der Ostseeflotte gesammelt wurden. Diese Modellkammer war eine Stätte des Lernens für die angehenden Schiffbauer und wurde sicherlich nicht auf der Suche nach geeignetem Spielzeug geplündert. Etwas Genaueres über die Herkunft war aber auch 1953 während der Restaurierung im Schloß nicht zu erfahren. Gespräche mit Frau E. Müller, der in der Geschichte der Holstein-Gottorp-Dynastie sehr bewanderten Schloßverwalterin, ließen jedoch eine etwas besser fundierte Hypothese erkennen. Sie sprach vom Herzog und späteren Großherzog Peter Friedrich Ludwig von Oldenburg, der nach dem Einbruch Napoleons in Mitteleuropa und dem Zusammenbruch der deutschen Staaten um 1805/06 nach St. Petersburg an den russischen Hof ging, um dort einer deutschen Legion beizutreten. Dies war auch eine Zeit, in der die Modellkammer der Kaiserlich Russischen Marine räumlich zu eng wurde und die Planungen für ein Marinemuseum Gestalt annahmen. Eine ideale Zeit, um aus der Fülle der gesammelten Modelle einmal die nicht mehr so wichtigen und zum anderen solche mit ungewöhnlichen Maßstäben auszusorticren und beiseite zu stellen, um Raum zu schaffen. Da Modelle mit ungewöhnlichem Maßstab einen nur schlechten Vergleich mit den auch in Rußland üblichen 1/4 Zoll : 1 Fuß (1 : 48) Modellen zuließen, waren sie wahrscheinlich als Lehrobjekte für angehende Schiffbauer überflüssig, und die Idee, solche Objekte als historisch wertvolle Zeitdokumente aufzubewahren, war noch nicht reif.

Abb. 12: Der innere Teil des Schottes vor der Back

Abb. 12: Der innere Teil des Schottes vor der Back

Als wissenschaftlich sehr interessanter und kunstliebender Herrscher eines kleinen Nordseerandstaates und enger Verwandler der Zarenfamilie konnte Peter Friedrich Ludwig hinsichtlich dieser ausgesonderten, etwas älteren Schiffsmodelle ein durchaus mehr als oberflächliches Interesse gezeigt haben, das in eine Schenkung von verschiedenen Modellen an den Herzog kulminierte. Bei einer Berücksichtigung dieser Fakten und Gedankengänge erscheint der von Frau Müller angeschnittene Gedanke, Herzog Peter Friedrich Ludwig hätte diese Modelle von seinem Vetter, dem Zaren, als Geschenk erhalten, wesentlich besser basiert als Kösters, der die Modelle einem Jüngling als „Spielzeug“ zugeeignet sah, zumal all die Modelle der im Schloß Eutin befindlichen Sammlung nicht dem damaligen Normalmaßstab entsprechen. Es erscheint nicht nur denkbarer, es stimmt nach Frau Müllers Worten auch in etwa mit dem Auftauchen der Modelle im Schloß überein.