„Preußen“
Vollendung und Niedergang der Segelschiffahrt
Zuerst veröffentlicht in: MECHANIKUS, München 1961. |
Download PDF Download EPUB PDF/HTML/EPUB-Umsetzung: Bodo van Laak |
Seite 65
Lange dauerte es, bis aus dem Einbaum das Wikingerschiff entwickelt worden war. Weitere Jahrhunderte mußten vergehen, bevor die Schiffe gebaut werden konnten, die das Zeitalter der Entdeckungen einleiteten. Galeonen und Fregatten folgten. Oft waren es nur Kleinigkeiten, kleine Erfindungen und Veränderungen in der Bauweise, die dem Aussehen der Schiffe für eine bestimmte Zeit das kennzeichnende Gepräge gaben. Holz war das Material dieser Schiffe und durch die Eigenschaften des Holzes sind ihrer Größe Grenzen gesetzt worden, die man jahrhundertelang nicht zu überschreiten lernte. 65m lang konnte ein Holzschiff werden und, als dieses Maß im 16. Jahrhundert erreicht worden war, galt die Sorge der Schiffbauer nur noch der ständigen Verbesserung der Fahr- und Segeleigenschaften. In der Mitte des 19. Jahrhunderts war die technische Entwicklung des hölzernen Segelschiffes vollendet. Masten und Rahen hatten Abmessungen erreicht, die man ideal nennen konnte, Die Stabilität dieser Schiffe wurde erzielt, indem man auf die Erfahrung ungezählter Generationen aufbaute.
Zwei neue Faktoren gewannen in dieser Zeit einen bestimmenden Einfluß auf die schiffbauliche Entwicklung. Die Dampfschiffahrt veränderte die Erscheinungsform dieser Technik und — es klingt fast so, als ob der Zusammenhang absichtlich konstruiert worden wäre – in Kalifornien wurde das Gold entdeckt. Eine wahre Flut von Menschen ergoß sich in den amerikanischen Westen. Viele zogen die Schiffsreise dem abenteuerlichen Weg durch das Indianergebiet vor und fuhren auf einer Strecke von 14—15000 Seemeilen rund um Kap Horn in das Land ihrer Träume. Mehr als 100.000 Passagiere hat man damals auf dieser Route gezählt. Die herkömmlichen Schiffstypen waren für eine so lange Reise, bei der zweimal der Äquator gekreuzt und in Sturmfahrten das berüchtigte Kap Horn umrundet werden mußte, zu langsam. Ein neuer Schiffstyp mußte her, ein schneller Segler für kostbare Fracht, für Menschenfracht. Kaufmännische Überlegungen und der massenweise vorgetragene Wunsch schnell nach Kalifornien zu gelangen, gaben die Anregung. Vor allem aber auch dem amerikanischen Pioniergeist und dem Erfindungsreichtum der Zeitgenossen, dem keine Beschränkungen durch schiffbauliche Vorschriften auferlegt waren, verdanken die „Clipper“ ihre Entstehung. Namen wie Flying Cloud, Sovereign of the Seas und Westward ho gingen von da an in die Geschichte ein, und ihre Erbauer,
Seite 66
wie Donald Mc Kay aus Boston und John Griffith aus New York, werden noch heute wie Nationalhelden verehrt. Diese Schiffe, die eigens für den Schnellverkehr von der Ostküste nach Kalifornien gebaut worden waren, hatten für die Rückreise kaum jemals Fracht zu erwarten, und so segelten sie nach China und brachten Tee nach New York. Genau so gut konnte aber die Teefracht auch bis England mitgeführt werden, so daß sich die amerikanischen Clipper unversehens in eine sehr ernst zu nehmende Konkurrenz für die englische Schiffahrt verwandelten, zumal man sich bei dieser noch nicht auf derartige Schnelligkeit eingestellt hatte.
Um die Scharte auszuwetzen, tat man in England alles, was erdenklich war. Die alten Schifffahrtsvorschriften wurden abgebaut. Selbst vor einer handfesten Werkspionage bei den Amerikanern scheute man nicht zurück. Als die beiden amerikanischen Clipper Challenge und Oriental in London ins Dock gehen mußten, ließ sie die Britische Admiralität durch ihre Techniker aufmessen. So, wie man früher mit Beuteschiffen verfuhr, machte man es jetzt mit diesen Schnellseglern und gab den einheimischen Schiffbaumeistern die Ergebnisse bekannt. Es dauerte dann auch nicht mehr lange, bis die britischen Werften den Vorsprung der Amerikaner aufgeholt hatten.
1852 kam ein neuer Werkstoff in den Schiffsbau. Mit der „Lord of the Isles“ 770 Reg. tons groß und 58,22m lang, schuf man in Greenock den ersten eisernen Segler. Da man aber mit den üblichen Anstrichen den Schiffsboden nicht sauber halten konnte, wandte man sich doch wieder dem Holz zu und kam als Folge des Holzmangels zum Kompositbau. Diese Bauweise, bei der eiserne Querverbände hölzerne (Teakholz) Planken trugen, die man unterhalb der Wasserlinie mit Kupfer beschlug, ist von den Engländern entwickelt worden. Mit ihr konnte man eine noch schärfere Form des Unterwasserschiffes herstellen als es bei der reinen Holzbauweise möglich gewesen war. Außerdem wurden diese Schiffe so stabil, daß die Versicherungen dem Kompositbau auf 20 Jahre die höchste Klasse gaben. Der Ruhm, die schnellsten Schiffe zu bauen, ging von nun an wieder nach England. Die Cutty Sark (Abb. 2) war der schnellste und seiner Form nach der schönste Vertreter dieser Bauweise. Seit 1863 wurden fast alle englischen Schiffe im Komposit-Verfahren gebaut. Erst als noch größere Abmessungen verlangt wurden, ging man wieder zum Eisen und dann zum Stahl über.
Die Bark Deutschland (176’9″ L, 32’1″ B, 20’4” T und 867 BRT) der Hapag war 1858 das erste deutsche Segelschiff, das auf einer einheimischen Werft aus Eisen gebaut wurde. Es entstand auf der Reiherstiegwerft in Hamburg, die sich bis zum Jahr 1870 als einzige deutsche Werft mit dem Bau großer eiserner Segler befaßte.
Seite 67
Der Krimkrieg hatte die erste große Schiffahrtskrise zur Folge und sie betraf besonders die amerikanischen Schiffe. Europäische, vor allem auch deutsche Reeder kauften damals sehr viele Clipper auf. Aber bald trat eine neue Krise für den Segelschiffbau ein, die nunmehr ihre weltweiten Auswirkungen hatte. In der Zeit von 1871—1875 ging der Segelschiffbau sehr zurück. Der Suez-Kanal war eröffnet worden. Das Dampfschiff trat in eine Entwicklungsphase ein, in der es sich als überlegene Konkurrenz erwies. Die Schiffahrt in der sogenannten kleinen Fahrt, also an den europäischen Küsten und im Mittelmeer, ging fast vollständig an die Dampfschiffahrt verloren. Nur auf der großen Fahrt konnte sich der Segler noch behaupten.
ln dem Maß, in dem die Dampfer größer gebaut wurden, mußte man auch darauf bedacht sein, die Tonnage der Segelschiffe an die dort gebräuchlichen Maße anzugleichen, denn jetzt kam es darauf an, ob man im harten Kampf um die Fracht mithalten könne. Während bis 1870 nur vereinzelt Schiffe über 1000 Reg. tons gebaut wurden, gab es schon in den ersten Jahren danach einen sprunghaften Anstieg und Größen von 2000 Reg. tons wurden erreicht. Die mittlere Größe der Schiffe war in den Jahren 1861—1865 = 625 BRT. 20 Jahre später, 1881—1885 = 1179 BRT, und nach weiteren 20 Jahren, 1901—1905 = 3291 BRT.
Neuerungen im Schiffbau: Komposit, Eisen, genietete eiserne Masten, geteilte Marssegel usw. folgten rasch aufeinander, so daß die Entwicklung vielfältige Impulse erhielt und auch ein ganz neuer Schiffstyp entstand. Sein hauptsächliches Kennzeichen, die vier Masten, war zwar schon in früheren Jahrhunderten wiederholt an den größten Schiffen zu beobachten gewesen, es bildete aber nicht die Regel. Von nun an stellte jedoch die Viermastbark geradezu einen Standardtyp dar. Die erste deutsche Bark dieser Bauform entstand 1885 bei Blohm & Voß in Hamburg. Sie hieß Polymnia, hatte 2129 BRT und war 290’7″ lang sowie 42’7″ breit bei 23’9″ Tiefgang.
Mit der Bark Potrimpos der Reederei F. Laeisz, Hamburg, führte Blohm & Voß 1887 eine weitere Neuerung in den deutschen Schiffbau ein. Das bisher gebräuchliche Eisen wurde durch elastischen Stahl abgelöst. Während sich bisher Niederländer, Briten, Franzosen, Schweden, Amerikaner usw. in der Führungsspitze der Schiffbaunationen abgelöst hatten, gelang es nun den deutschen Werften mit dem Bau ihrer Stahlsegler Weltruf zu erlangen. Besonders die Werft Joh. C. Tecklenborg A.G., Geestemünde, tat sich im Bau großer schneller Segler hervor. 1895 schuf sie erstmals das größte Segelschiff der Welt. Es war die Fünfmastbark Potosi mit 366’3″ Länge, 49’7″ Breite, 28’5“ Tiefgang und 4026 BRT.
Durch Ausnützung aller bekannten technischen Möglichkeiten wurde noch einmal der Niedergang der Segelschiffahrt aufgehalten und zuletzt sah es fast so aus, als ob man den immer größer werdenden Segelschiffen den Rang nicht ablaufen könne. Während der 8 Jahre von 1898—1905 hatte sich die Zahl der Vier-und Fünfmastschiffe in Deutschland mehr als verdoppelt. 25 waren es 1898 und 58 im Jahre 1905. Die Massengüter, Salpeter aus Chile, Erze und Reis aus Australien und Indien, Weizen aus Argentinien usw. boten immer noch Anreiz für den Reeder, sich Segler zu halten. Unterdessen war aber auch die Dampfschifffahrt, nach einem Jahrhundert beharrlich fortschreitender Entwicklung, so ziemlich ausgereift. Bei ihr rechnete man jetzt schon mit Fahrgeschwindigkeiten, die denen der Segler überlegen waren und in der Zeit der letzten Blüte der Segler begann deshalb auch schon ihr großes Sterben. In der Statistik des Deutschen Reiches sah dies ungefähr so aus: 1875 lag die
Seite 68
Gesamttonnage der Segler bei 900.000 NRT, davon werden etwa 40.000 Netto Register Tonnen eiserne Segler gewesen sein. Die Dampfertonnage war in diesem Jahr nur ein geringer Bruchteil der Segler-Tonnage (180 000 NRT). Bis 1880 konnten die Segler noch 60.000 NRT Zuwachs verbuchen. Von einer Gesamttonnage von 500.000 NRT hatten die Eisen- und Stahlsegler einen Anteil von über 80%. Nach 1880 fällt die Kurve bis 1903 steil ab. Einen riesigen Zuwachs konnte aber in diesen 28 Jahren die Dampfschiffahrt gewinnen. Von den 180.000 NRT sprang ihre statistische Kurve auf 1.750.000 NRT. In den folgenden Jahren bis zum ersten Weltkrieg war ein Anstieg bis über die 5.000.000-NRT-Grenze zu verzeichnen, während die Zahl der Segler rapide abnahm.
Mitten in dieser Zeit des großen Seglersterbens baute man an der Wesermündung zwei Schiffe, die sich gegenseitig den Rang streitig machen sollten, die größten Segelschiffe der Welt zu sein. 1902 lief das Fünfmastvollschiff Preußen bei Joh. C. Tecklenborg in Geestemünde von Stapel und 1906 die Fünfmastbark R. C. Rickmers bei der Rickmers Werft in Bremerhaven. Ein Amerikaner trat zur gleichen Zeit als dritter Bewerber auf. Der Siebenmastschooner Thomas W. Lawson (Abb. 3) wurde 1902 bei der Fore-River-Co. in Quincy gebaut. Die Maße dieser 3 Giganten unter Segel waren folgende:
Fünfmastvollschiff Preußen | |
Länge zwischen den Steven | 124,29m |
Breite | 16,33m |
Tiefe | 9,96m |
Brutto-Register-Tonnen | 5081 |
Netto-Register-Tonnen | 4765 |
Fünfmastbark R. C. Rickmers | |
Länge zwischen den Steven | 125,24m |
Breite | 16,33m |
Tiefe | 9,75m |
Brutto-Register-Tonnen | 5548 |
Netto-Register-Tonnen | 4696 |
Siebenmastschoner Thomas W. Lawson | |
Länge zwischen den Steven | 112,24m |
Breite | 15,20m |
Tiefe | 10,75m |
Brutto-Register-Tonnen | 5218 |
Netto-Register-Tonnen | 4916 |
Obwohl die R. C. Rickmers hinsichtlich ihrer Länge und auch in der BRT-Größe von keinem anderen Segelschiff erreicht wurde, kann man dieses Schiff strenggenommen nicht als das größte reine Segelschiff feiern, denn es hatte zusätzlich zur Besegelung noch eine Hilfsmaschine von 1100 PS, durch die eine Schraube angetrieben werden konnte. Die Thomas W. Lawson brachte wohl eine größere Tonnage als die Preußen ins Spiel, so daß sie von der amerikanischen Presse schon als größtes Segelschiff aller Zeiten gefeiert wurde, ihr Ruhm währte aber nicht lange. Schon nach wenigen Monaten berichteten die gleichen Zeitungen ganz nebenbei und in einer kleinen Notiz, daß die Thomas W. Lawson abgetakelt werden mußte und nun als Kohlenhulk Verwendung findet. Sie sei nur bei bestem Wetter segelfähig gewesen und habe für die meisten Häfen einen zu großen Tiefgang gehabt. Demnach wird man doch wieder die Preußen als das Schiff anzusehen haben, das als größtes und auch fahrtüchtigstes Segelschiff in die Schiffbaugeschichte eingeht.
Über die Preußen soll hier noch ein wenig berichtet werden. Von Georg W. Claussen konstruiert, lief die Preußen 1902 vom Stapel. Claussen hatte zuvor schon einmal seine Fähigkeiten in überzeugender Form unter Beweis gestellt, denn auch die Potosi war sein Werk gewesen. Sein Wirken für die Tecklenborg-
Seite 69
Seite 70
werft hat diesem Betrieb erst den Weltruf eingebracht.
Nicht nur ihrer Größe, sondern auch ihrer Schnelligkeit verdankte es die Preußen, daß sie anderen Schiffen überlegen war. Stundenleistungen von 15 bis 16 Seemeilen waren für sie keine Seltenheit und bisweilen schaffte sie auch über längere Strecken hinweg 17 Sm, was mehr als 30 km/h ausmacht. Höhere Reisegeschwindigkeiten hat auch ein modernes Dampfschiff nicht erreicht. Die Preußen mußte dafür ihr gewaltiges Segelareal einsetzen. 5560m2 betrug die Gesamt-Segelfläche der 43 Segel. Eindrucksvoll sind auch die anderen technischen Daten. Die Wasserverdrängung betrug 11.150 tons. Der Tiefgang war bei 8000 Tonnen Ladung 8,23m. Vom Kiel bis zum Flaggenknopf hatte der Rumpf eine Gesamthöhe von 66m. Die Masten wiesen unten einen Durchmesser von 92cm auf; beim Mars waren es noch 0,75m Ø und am Masttop, beim Brameselshaupt 0,46m Ø. Die Bramstenge war 19m lang. Das Bugsprit maß 20,6m. 31,2m war die Länge der Unterrahen, die in der Mitte einen Durchmesser von 63,5cm hatten. In die Kilometer ging die Gesamtlänge des Tauwerks. Das stehende Gut erstreckte sich über 10,8km, das laufende über 17,3km und die Trossen über 3,05km. Gering nimmt sich dem gegenüber die Länge der Ketten in der Takelage aus; aneinandergereiht wären sie 700m lang gewesen.
Für die Handhabung dieses Riesen und seiner fünf vollgetakelten Masten bedurfte es einer Besatzung von etwa 40 Mann. Jahrzehnte vorher wäre diese gerade genügend für einen Klipper von 600 bis 800 Reg. tons gewesen, während man noch früher Besatzungsstärken benötigte, die weit über dieser Zahl lagen. Einstmals galt in der Seefahrt das geflügelte Wort von den „wooden ships and iron sailors“. Angesichts der neuen Errungenschaften hat man es dann scherzhaft in „eiserne Schiffe und hölzerne Seeleute“ umkehren wollen. Dennoch hatten diese Männer ein Arbeitspensum zu erledigen, das dem auf kleineren hölzernen Schiffen in keiner Weise nachstand. Wenig entwickelt war der Sinn für soziale Probleme. Die technischen Hilfsmittel wurden deshalb nicht so sehr zur Arbeitserleichterung der Seeleute eingesetzt, als vielmehr um den Profit der Reeder aufzubessern, denn diese hatten einen geringen Aufwand, wenn sie größere Schiffe mit geringeren Mannschaften besetzen konnten. Kost und Logis waren auch nicht in dem Maße verbessert worden, wie die Schiffe selbst. Die See aber geht bis heute noch nicht mit der Zeit. Sie brüllte um die stählernen Kolosse genau so laut und heftig wie sie es schon vor 100 oder 1000 Jahren getan hatte. Segelschiffe von hundert Meter Länge waren ihr eine ebenso willkommene Beute wie die alten 60m Schiffe. Es war auf den eisernen Schiffen kein leichterer Dienst als auf den hölzernen.
Über den Verbleib der Preußen ist mit dem Wort „gestrandet“ zu berichten. Am 31.10.1910 verließ das Schiff den Hamburger Hafen wurde elbabwärts gebracht und begann seine Reise mit Stückgut nach Valparaiso. Beim Passieren des englischen Kanals sichtete man am 6.11. den englischen Passagierdampfer Brighton, der auf der Fahrt nach Dieppe den Kanal in Nord-Süd-Richtung befuhr. Trotzdem der Segler klar als solcher erkannt worden war, versuchte der Dampfer die Preußen vor dem Bug zu passieren, und nicht, wie üblich, hinter dem Heck. Dieses regelwidrige Verhalten endete mit einer Kollision. Der Segler büßte bei der Havarie sein gesamtes Vorgeschirr ein und wurde manövrierunfähig. Drei Schlepper, die sofort herbeieilten, konnten seine Strandung nicht mehr aufhalten. Direkt unterhalb der Kreidefelsen von Dover geriet die Preußen auf Grund und ihr Wrack war nicht zu bergen. Nur Teile der Ladung und des Inventars konnten gerettet werden.
Lange noch lag das gestrandete Schiff vor der englischen Küste. Majestätisch, wie es jahrelang die Weltmeere bezwungen und dabei Wind und Wetter getrotzt hatte, setzte es auch noch im Untergang der See seinen Widerstand entgegen. Mehrere Jahrzehnte benötigte der Rost und die zerstörende Gewalt stürmischer Wellen, um es bis auf einen geringen Rest zu zerschlagen. Noch vor einigen Jahren waren einzelne Bodenwrangen und andere Rumpfteile am Unglücksort zu sehen.
Erhalten geblieben ist uns die Preußen in einer Reihe von Modellen. Das älteste davon ist das erste von der Werft Joh. C. Tecklenborg in Maßstab 1: 50 hergestellte Werftmodell. Es wurde auf der Weltausstellung in St. Louis mit einer Goldmedaille ausgezeichnet und befindet sich z. Zt. im Verwaltungsgebäude der Werft A. G. Weser in Bremen. Das zweite Modell, das wiederum von der Werft, auf Wunsch des seinerzeit im Aufbau befindlichen Deutschen Museums, im Maßstab 1:50 hergestellt wurde, hat die schweren Kriegsverwüstungen der Schiffbauabteilung des Deutschen Museums überstanden und ist dort heute wieder ausgestellt. Zu den kleineren Modellen zählt der M1:100 Nachbau, der von mir für das Morgenstern-Museum, Bremerhaven, geschaffen wurde, er demonstriert dort das große schiffbauliche Können der Unterweserwerften und erinnert an G. W. Claussen und die Tecklenborg-Werft, die in den 30er Jahren der Weltwirtschaftskrise zum Opfer fiel.
Über das Museumsmodell (Abb. 5—8) in Bremerhaven kann ich abschließend noch einige kurze Angaben machen, die vielleicht den Modellbauer interessieren. Die Arbeitszeit währte 18 Wochen. Der Rumpf ist in Schichtbauweise erstellt.
Viele der Blöcke, die Poller, Gangspills, Windhuizen und andere Kleinteile sind nach meinen Entwürfen in das preiswerte Piastik-Kleinteil-Sortiment einer namhaften Firma der deutschen Modellbauindustrie übernommen worden.* Selbst unter Zuhilfenahme erstklassiger Pläne und Hilfsmittel kann der Nachbau der Preußen nur den erfahrensten Schiffsmodellbauern empfohlen werden und auch diese werden die Freizeit eines guten Jahres dafür in Anspruch nehmen müssen.
Karlheinz Marquardt
*) Anm. d. Red.: Graupner-Zubehör.