Auswandererschiff Bark „Theone“
1863/1864
Zuerst veröffentlicht in: MECHANIKUS, München 1966-1967 |
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Dieser Artikel ist ursprünglich in 6 Teilen erschienen (Teil I, Teil II, Teil III, Teil IV, Teil V und Schluß). Dies erklärt die Sprünge in den Seitenzahlen. Um eine großformatige Darstellung der Tafeln zu ermöglichen, hat der MECHANICUS die großen Tafeln als Mittelblätter über verschiedene Ausgaben verteilt. Diese Mittelblätter wurden hier am Ende des Artikels eingefügt. Die Nummerierung der Bilder auf wurde zwecks besserer Orientierung gegenüber der Print-Ausgabe im MECHANICUS angepasst. | |
Teil V – Seite 461
Teil V
Die Takelage (Tafel VI)
Die Grundbestandteile der Takelage eines Segelschiffs: Mast, Tauwerk und Segel sind zwar immer gleich, die Art der Aufstellung hängt aber sehr weitgehend vom Typ, vom Verwendungszweck des Schiffes und vielen anderen Voraussetzungen ab. Wer eine Takelage beschreiben will, muß außerdem Zeit und Ort kennen, in welchen das Schiff erbaut wurde. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß die Takelage einer Kogge des 13. Jh. mit der einer Fregatte des 17. Jh. nicht identisch sein kann, und diese weicht wieder in zahlreichen Einzelheiten von der einer Bark aus der Mitte des 19. Jh. ab. Weniger bekannt scheint es zu sein, daß eine Bark von 1857 anders getakelt werden muß, als eine von 1865. Von da an bis 1900 müßten dann übrigens noch mindestens 2 einschneidende Änderungen der Takelage vermerkt werden.
Das Schiff von 1857 führt noch große Marssegel; bis 1865 waren sie schon fast überall durch geteilte Marssegel ersetzt worden. Die Bramsegel teilte man erst Ende der siebziger Jahre, und bald darauf wurden fast überall Stahlmasten verwendet, was wiederum gewisse Änderungen der Form, der Anordnung und der Zusammensetzung zur Folge hatte. Abgeändert wurde auch die Stellung der Masten. Stand der Fockmast zu Beginn des 17. Jh. noch mit einer Neigung nach vorn auf dem Vorsteven, so war er schon im 18. Jh. senkrecht geworden und man errichtete ihn über dem vorderen Ende des Kiels. Mitte des 19. Jh. ist er vom Steven ca. 1⁄7 der Kiellänge entfernt und hat, wie auch die anderen Masten, eine Neigung von etwa 4° nach achtern.
Die Rundhölzer (Tafel VI)
Das Bugspriet führt an einem Schiff von 1860 nicht mehr so steil aus dem Vorschiff, wie dies noch ein Jahrhundert vorher der Fall war. Um 1750 steht das Bugspriet noch in einem Winkel von 30°; in der Zeit, in der die „Theone“ gebaut wurde, sind es nur noch 17 bis 18°. Das Spriet selbst wurde kürzer; an seiner Stelle wurde aber der Klüverbaum größer ausgebildet. Am Eselshaupt, der Führung des Klüverbaums, ist der Stampfstock kardanisch, also nach allen Richtungen beweglich, aufgehängt (Abb. 3). Durch den Stampfstock erhält der ziemlich dünn gehaltene Klüverbaum seine Abstagung. Er wird auf diese Weise erst in die Lage versetzt, das Vorgeschirr zu tragen, das bekanntlich sehr starken Beanspruchungen ausgesetzt ist.
Das Spriet wird folgendermaßen abgestagt: Seitwärts greifen Ketten an. Nach unten führt der Wasserstag (Abb. 4), der aus einzeln oder paarweise angeordneten Ketten bestehen kann. An den Stagführungspunkten des Klüverbaums greifen ebenfalls Ketten an. Sie führen zum unteren Ende des Stampfstocks; weitere Ketten führen von dort aus nach beiden Seiten des Rumpfes.
Die Vorstage enden nicht am Klüverbaum. Sie gehen durch Führungen über den Stampfstock zum Rumpf. Der Klüverbaum, der früher die ganze Last der Vormastabstagung trug, wird dadurch in einem beträchtlichen Maß entlastet. Die seitlichen Stage (Backstage) des Klüverbaums sind keine Ketten sondern Tauwerk. Ihre Ansatzpunkte sind aber die gleichen wie die der Vorstage und der Stampfstockketten. Sie gehen über den Whisker-Baum, einen eisernen Spreizbaum am Kranebalken, zur Bord. Damit der Klüverbaum begangen werden kann, sind an ihm Fußpferde angebracht. Unter diesem Ausdruck versteht der Seemann girlandenförmig aufgehängte Taue, auf die er sich bei der Arbeit mit den Füßen stellen kann.
Die Masten
Die vollgetakelten Masten einer Bark setzen sich wie folgt zusammen: Der Untermast ist noch gebaut, d.h. aus mehreren Stücken zusammengesetzt und durch eiserne Bänder zusammengehalten. Nach oben wird er fortgesetzt durch die Marsstenge und die Bramstenge.
Teil V – Seite 464
Am Untermast (Abb. 5) befindet sich das Rackband für die Unterrah, die bei diesem Schiff nicht mehr gefiert wird. Am oberen Teil sind die Mastbacken, welche die Saling tragen und der Mars, der auf der Saling ruht. Oberhalb des Marses wurden Ausfütterungen für die Wanten und Stage angebracht. Der Masttop, also der Teil des Mastes, der über den Mars heraussteht, ist vierkantig abgearbeitet. Obenauf sitzt das Eselshaupt, welches nun nicht mehr aus Holz sondern schon aus Eisen besteht. Am Eselshaupt sitzt die Rack-Halterung für die ebenfalls nicht mehr zu fierende Untermarsrah.
Die Marsstenge ist an ihrem unteren Ende als Vierkant zugeschnitten. In ihrem Fuß hat sie eine Öffnung für das Schloßholz, welches rutschen verhindert. Oberhalb des vierkantigen Fußes ist ein schräger Schlitz eingeschnitten, in welchem die Scheibe für das Stenge-Windreep sitzt. Eine ähnliche Einrichtung gibt es auch im oberen Teil der Stenge, in welche die senkrecht laufende Scheibe für das Obermars-Fall eingelassen ist (Abb. 6). Knapp darunter befindet sich ein eisernes Band für Stag- und Stengewanten. Die Saling hat hier keine Unterstützung durch Mastbacken; sie ist nur eingepaßt. Auf der Saling liegen Latten für die Pardunenführung. Ihr vorderer Teil schließt mit einem am Scharnier aufklappbaren Eisenbeschlag ab, der den Fuß der Bramstege aufnimmt. Im Stengetop befindet sich wieder ein Eselshaupt (Einzelteilzeichnungen s. Tafel VI).
Das Unterteil der Bramstenge gleicht dem der Marsstenge. Im zweiten Drittel ihrer Höhe ist die Scheibe für die Bramrah eingearbeitet. Der darüber liegende kleine Absatz dient zur Aufnahme der Stage und Pardune. Knapp unter dem Stengetop ist eine Scheibe für die Royal-Rah angebracht. Der Mast, bzw. Stengetop verjüngt sich dann und trägt oben den Flaggenknopf. Der Besanmast führt nur eine Stenge, die Besanstenge (Abb. 7). Am Untermast befindet sich das Lager für den Baum-Lümmel. Mit diesem Fachausdruck bezeichnet man den beweglichen Bolzen am Ende eines Baumes, durch welchen der Baum am Mast schwenkbar aufgehängt wird. Im übrigen gleicht die Stenge ungefähr der Bramstenge; nur gibt es an ihr keine Scheiben für die Rahfalle, sondern nur eine für das Gaffel-Topsegel-Fall.
Die Rahen sind Rundhölzer, welche sich nach beiden Seiten verjüngen; sie dienen der Befestigung und Bewegung der Segel. Die Abmessungen der Rahen stehen in einem bestimmten Verhältnis zur Schiffsbreite. So hat die Großrah eine Länge, die etwa 2 1⁄4 der Schiffsbreite entspricht. Die Fockrah ist 3 Schiffsbreiten lang. Die Größe der Schiffsbreite wird in diesen Fällen zumeist auf den Spanten gemessen. Die Untermarsrah hat eine Länge von etwa 7⁄8 der Unterrah (Großrah oder Fockrah, dem Mast entsprechend). Die Obermarsrah hat 3⁄4 der Länge ihrer Unterrah, die Bramrah 7⁄12 der Unterrah und die Royal-Rah 1⁄2 der Unterrah. Die mittlere Dicke der Rahen entspricht bei Unterrahen 1⁄46 der Rahlänge. Bei der Marsrah 1⁄48 ihrer Länge und bei Bram- bzw. Royalrahen 1⁄58 ihrer Länge.
Jede Rah ist entsprechend ihrer Größe mit einer Anzahl von Eisenbändern versehen. Sie
Photos:
Abb. V-1 u. V-2 K. -H. Marquardt
Abb. V-8 aus den „Fliegenden Blättern“ 1846
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führen zum Teil Augen für das an die Rah zu bringende Tauwerk. Abgesehen von der obersten Rah, sind in die Enden der Rah (Rahnock) Scheiben für die Schoten der Segel eingesetzt. An der oberen Vorderkante der Rahen zieht sich der Jackstag entlang. Der Jackstag ist die Befestigungsvorrichtung, mit welcher das Segel an der Rah angeschlagen wird; er ersetzt das ältere Verfahren, nach welchem das Segel direkt an der Rah befestigt war.
Um die Rahen am Mast bzw. an den Stengen aufhängen zu können, benützt man die Racks. An der Theone gibt es davon 3 verschiedene Ausführungsformen (Einzeldarstellung ist in Tafel VI neben der Seitenansicht jeweils gesondert herausgezeichnet):
1. Das Bügelrack wird für die Aufhängung der Fock- und Großrah benützt. Ein Bügel, der in einem Bolzen schwenkbar gelagert ist, greift an die Rah. Der Bolzen selbst geht zum Racklager und ist auch dort beweglich angebracht. Mittels dieser Vorrichtung ist also eine horizontale und vertikale Drehung der Rah möglich. Zur Abstützung hängt die Rah noch an einer Kette.
2. Am Hängerack ist die Untermarsrah befestigt. Hier hängt am Eselshaupt ein drehbarer Lagerbolzen; die Rah hat auf ihrer Oberseite 2 Augen, durch welche dieser Lagerbolzen gesteckt wird. Auch hier ist eine zweifache Drehung möglich. Abgestützt wird die Rah durch eine Eisenstange, die zum Mars führt.
3. Mit dem Tonnenrack sind alle übrigen Rahen am Mast angeschlagen. Diese Befestigungsvorrichtung ermöglicht das Heißen und Fieren der Rahen, läßt sich aber nur seitwärts drehen. An der Rah ist ein Holzfutter befestigt, das in der Mitte eine halbrunde Ausnehmung trägt. Mit der Ausnehmung paßt die Rah an die Stenge. Eine in einem Scharnier aufgehängte halbrunde Schelle umfaßt dann die Stenge von der anderen Seite her und wird durch einen Bolzen verschlossen. Schließlich wäre noch die Befestigungsweise der Gaffel zu erläutern. Die Gaffel greift mit einer Klaue an den Mast, während ein Perlenband den dabei freibleibenden Teil der Mastrundung umschließt.
Die Rahen, welche in ihren Nocken Schotführungen tragen, haben an der Unterseite ihres mittleren Bandes einen eigenartig geformten Metallblock; es ist dies der Schotblock. Nur die Untermarsrahen fahren zwei Einzelblöcke seitwärts, weil bei ihnen in der Mitte die eiserne Abstützung im Wege wäre.
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Teil V (Schluß)
Das stehende Gut
Unter dem Begriff „Stehendes Gut“ versteht man alles Tauwerk, welches an beiden Enden festgesetzt ist. Das stehende Gut des Bugspriets wurde schon in anderem Zusammenhang erläutert. Im folgenden wird deshalb vornehmlich von dem der Masten die Rede sein. Zum stehenden Gut der Masten gehören die Stage, Wanten und Pardune. Die Stage stützen den Mast nach vorne ab, d.h. sie nehmen die Kräfte auf, die — bezogen auf die Rumpflängsachse — am Mast von vorne angreifen. In der Reihenfolge von unten nach oben heißen die Stage beim Fockmast: (1) Vorstag, (2) Vorstengestag, (3) Klüverstag, (4) Jager- oder Außenklüverstag, (5) Vorbramstengestag und (6) Vortopstag. Die hier genannten Positionen 3, 4 und 5 bezeichnet man auch als Klüverleiter, Jagerleiter und Fliegerleiter. Die Stage des Großmastes heißen in der Reihenfolge von unten nach oben: (1) Großstag, (2) Großstengestag, (3) Großbramstag und (4) Großtopstag. Dementsprechend unterscheidet man am Besanmast zwischen (1) Besanstag, (2) Besanstengestag und (3) Besantopstag.
Kräfte die quer zur Rumpflängsachse am Mast angreifen, werden durch die Hofdtaue oder Haupttaue aufgenommen. Diese sind bei größeren Schiffen jeweils durch Webleinen zusammengefaßt und bilden das Want. Zur rückwärtigen Abstützung des Mastes dienen die Pardune.
Da es sich beim stehenden Gut um Taue handelt, die an ihren beiden Enden festgesetzt sind, benötigt man zu diesem Festsetzen eine Anzahl von Vorrichtungen, die zumeist nach dem Prinzip des Flaschenzuges konstruiert sind. Man nennt sie Taljen oder Takel und unterscheidet dann noch einmal nach dem Verwendungszweck. Unter dem Vorstengestag befindet sich der Fischtakel oder Burton; an Fock- und Großmast gibt es die Swifter. Der Fischtakel wird zur Einbringung des Ankers und anderer schwerer Lasten benützt. Als Swifter können einerseits Arbeitstaljen und andererseits auch lose Pardune bezeichnet werden, sofern diese das schnelle Steifsetzen eines in seinen Wanten lose gewordenen Mastes ermöglichen sollen. Wie beim Mast, so gibt es auch an den Rahen stehendes Gut; es sind dies einerseits die Topnanten und andererseits die Fußpferde. Am Besanmast gehört der Pickstander dazu, der von der Gaffel zum Eselshaupt fährt; außerdem der Besantopstander zwischen Baum und Gaffel. Schließlich rechnet man auch die Schenkel der Gaffelgeren zum stehenden Gut am Besanmast.
Segel
Alles Gut, das in den vorhergehenden Absätzen noch nicht beschrieben wurde, dient primär zur Handhabung und Bewegung der Segel. Wir werden uns deshalb zunächst mit der Besegelung des Schiffes zu befassen haben. Wir unterscheiden zwischen Schratsegeln und Rahsegeln.
Schratsegel ist ein Sammelbegriff für alle Segel, die längsschiff gefahren werden. Zu ihnen gehören einerseits die Stagsegel und andererseits die Gaffelsegel. In der Reihenfolge von vorn nach achtern heißen sie: (1) Flieger, (2) Jager oder Außenklüver, (3) Binnenklüver, (4) Vorstengestagsegel, (5) Großstengestagsegel, (6) Großbramstagsegel, (7) Großroyalstagsegel, (8) Besanstagsegel, (9) Besanstengestagsegel, (10) Besantopstagsegel, (11) Besan- oder Gaffelsegel, (12) Gaffeltopsegel. Die Segel, die hier mit den Positionen 1—10 bezeichnet sind, werden am Stag mittels sogenannter Legel oder Lögel befestigt, die auch Stagreiter heißen können. Noch vor 100 Jahren waren dies einfache Drahtbügel, die brillenartig gebogen wurden. Der Bügel selbst lag über dem Stag. Die beiden Augen wurden an das Segel genäht. Die unter den Positionen 11 und 12 genannten Segel wurden meistens mittels Mastbändern am Mast befestigt. Mastbänder oder Mastringe sind hölzerne Ringe, die aus gedämpften Latten gebogen wurden. Gewöhnlich war ihr Durchmesser doppelt so groß wie der des Mastes, wodurch erreicht werden sollte, daß sie beim Heißen des Segels nicht klemmen.
Rahsegel sind alle Segel, die querschiffs gefahren und an einem Rundholz befestigt werden. In der Reihenfolge von unten nach oben und von vorne nach achtern heißen sie: (1) Fock, (2) Vor-Untermarssegel, (3) Vor-Obermarssegel, (4) Vor-Bramsegel, (5) Vor-Royalsegel, (6) Großsegel, (7) Groß-Untermarssegel, (8) Groß-Obermarssegel, (9) Groß-Bramsegel, (10) Groß-Royalsegel.
Jedes Segel besteht aus zusammengenähten Bahnen, von denen eine einzelne am Vorbild etwa 80 cm breit sein kann. Auf der Vorderseite, dort wo die Gordings laufen, sowie an
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anderen Stellen, die besonders stark dem Verschleiß ausgesetzt sind, bekommt das Segel Verdoppelungen; dazu gehören auch die Stellen des Segels, die am Mars oder an der Saling scheuern können. An den Schratsegeln werden außerdem die Ecken und die Punkte, in denen sich im Winkel zueinanderstehende Bahnen treffen verdoppelt.
Alle Segel sind mit einem Tau, dem sogenannten Liek, umnäht; es gibt dem Segel Halt und nimmt auch das an ihrem Rand zu befestigende Tauwerk auf. Abgesehen davon sind am Befestigungsrand des Segels eine Reihe umsteppter Löcher angebracht, die zur Befestigung des Segel, z.B. am Jackstag, am Legel oder am Mastband dienen. Gleichartig umnähte Löcher sind ferner dort zu finden, wo die Segel Reffbändsel enthalten. Schließlich wurden an den Ecken der Segel noch Kauschen eingenäht; das sind eiserne Ringe, die zum Einhängen von Blöcken oder von Tauwerk dienen.
Das laufende Gut
Zum laufenden Gut der Stagsegel (1—4) gehört das Fall (1); es dient zum Heißen des Segels und besteht gewöhnlich aus einer Talje, die am oberen Zipfel, dem Heiß des Stagsegels, eingehängt ist. Der Niederholer (2) übt die Funktion aus, die der des Falls entgegengesetzt ist. Der Hals (3) ist ein Tau, welches am vorderen, unteren Ende des Stagsegels befestigt ist und dieses von unten her festhält. Die Schoten (4) sind Taljen, die am unteren, hinteren Ende des Segels angreifen und es am Wind halten. Der Seemann unterscheidet hier zwischen einem Luv- (Wetterschot) und Lee-schot. Gewöhnlich ist die Leeschot (Lee = dem Wind abgewandte Seite) steifgesetzt, während die Luvschot lose über dem Stag liegt; man spricht dann von einer „fliegenden Schot“. Die Ecke des Segels, an der die Schoten angreifen, heißt Schothorn.
Zum laufenden Gut der Rahsegel gehören zunächst einmal die Taue, die beim Bergen des Segels (1 — 3) benützt werden. Auf der Vorderseite der Rahsegel sind die Gordings (1)
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angebracht; sie führen vom Unterliek, also von dem Einfaßtau des Segels, das seine untere Kante bildet, über Blöcke an der Rah zu Blöcken am Mast, und von dort zu den Belegstellen an Deck. Gordings, die nicht vom Unterliek, sondern von den Seitenlieks wegführen, heißen Nockgordings (2). Zur gleichen Funktionsgruppe zählen auch die Geitaue (3). Sie liegen auf der Rückseite des Segels und führen diagonal vom Schothorn bis zur Mitte der Rah.
Eine weitere Gruppe wird beim Reffen der Segel in Aktion gesetzt; sie besteht bei den Untersegeln und Obermarssegeln einerseits aus der Refftalje, die von den seitlichen Segellieken zur Rahnock führt, andererseits aus den Reffbändseln im Segel.
Die nun folgende Funktionsgruppe dient zur Fixierung des an der Rah mit einer Reihleine befestigten Segels von unten; sie besteht aus Schot und Hals. Die Halsen sind Einzeltaue von nicht unbeträchtlicher Dicke; sie führen vom Schothorn der Untersegel aus nach vorn. Im Gegensatz dazu ist die Schot als Talje ausgebildet; sie greift am Schothorn an und geht von hier aus nach achtern. Die Schoten der oberen Rahsegel bestehen zumeist aus Ketten, die über Scheiben in und unter der Rah laufen und dann auf Taljen gestellt sind.
Die Fierbarkeit der Obermars-, Bram- und Royalrahen wird durch die Falle bewirkt. Unter- und Untermarsrahen sind fest aufgehängt und haben deshalb keine Falle. Das Fall ist dreiteilig. Es besteht aus einer Kette (1), die an der Rah eingeschäkelt ist und über eine Scheibe im Mast läuft. Am anderen Ende der Kette befindet sich ein Block. Ferner gehört zum Fall ein dickeres Tau (2), das mittels eines Hakens in einen Ring an Deck greift; von hier aus führt es aufwärts, wird durch den Kettenblock geleitet und erhält auf der abwärts laufenden Seite eine Talje (3), die das Fieren und Heißen der Rah erleichtert. Die unter den Positionen (2) und (3) genannten Bestandteile des Falls laufen jeweils entgegengesetzt zu einer der Bordwände; wenn also das Tau (2) auf Steuerbord befestigt ist, findet die Talje (3) an Backbord ihren Platz. Die Gesamtverläufe lassen sich wie folgt beschreiben: Die Talje der Vorobermarsrah fährt an Backbord, die der Vorbramrah an Steuerbord; Vorroyalrah: Backbord; Großobermarsrah: Steuerbord; Großbramrah: Backbord und Großroyalrah: Steuerbord. Durch die wechselseitige Versetzung der Taljen soll eine gleichmäßige Verteilung der Arbeitsplätze erreicht werden, was zur Folge hat, daß mehrere Rahen gleichzeitig gesetzt werden können.
Die Obermarsrahen haben außer den Fallen noch Niederholer; sie sind an der Nock der Untermarsrah befestigt und laufen über Blöcke an der Obermarsrah bis in die Nähe des Mastes und von dort an Deck. Will man die Rah mit dem Segel an den Wind bringen, benötigt man die Brassen. Sie greifen beiderseits an die Rahnock und sind für gewöhnlich zweiteilig. Die Teile heißen: Braß-Schenkel und Braß-Talje. Nur die Royalrahen haben einfache Brassen. Die Brassen der drei unteren Rahen führen direkt herunter zur Bordwand, während die der oberen an den nächst folgenden Mast geführt werden.
Die Besansegel sehen etwas anders aus als die Stag- und Rahsegel. Dessen ungeachtet sind die Grundfunktionen der am Besan vorhandenen Segeltaue prinzipiell gleichartig:
Zum Belegplan (Tafel VIII):
Der hier abgebildete Belegplan gibt in Zahlen die Stellen an, an denen das laufende Gut festzusetzen ist. Die hier zusätzlich gezeichneten Nagelbänke auf der Back, am Fock- und am Großmast, werden zum sachgemäßen Belegen des Tauwerks benötigt. Sie sollten beim Bau des Modells berücksichtigt werden. In der Reihenfolge der Ziffern lauten die Bezeichnungen des Tauwerks wie folgt:
1. Flieger-Niederholer 2. Außenklüver-Niederhoier 3. Binnenklüver-Niederholer 4. Vorstengestagsegel-Niederholer 5. Fockhals 6. Flieger-Schot 7. Außenklüver-Schot 8. Binnenklüver-Schot 9. Vorstengestagsegel-Schot 10. Fock-Gordings 11. Fock-Refftalje 12. Fock-Geitau 13. Vor-Untermars-Gordings |
14. Vor-Untermars-Geitau 15. Vor-Obermars-Gordings 16. Vor-Obermars-Refftalje 17. Vor-Obermars-Geitau 18. Vor-Bram-Schot 19. Vor-Obermars-Niederholer 20. Vor-Bram-Gordings 21. Vor-Bram-Geitau 22. Vor-Royal-Schot 23. Vor-Royal-Gordings 24. Vor-Royal-Geitau 25. Flieger-Fall |
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26. Außenklüver-Fall 27. Binnenklüver-Fall 28. Vorstengestagsegel-Fall 29. Vor-Obermars-Fall 30. Vor-Bram-Fall 31. Vor-Royal-Fall 32. Vor-Untermars-Schot 33. Fock-Brasse 34. Vor-Untermars-Brasse 35. Vor-Obermars-Brasse 36. Fock-Schot 37. Vor-Marsstenge-Windreep 38. Vor-Bramstenge-Windreep 39. Groß-Stengestagsegel-Niederholer 40. Groß-Bramstagsegel-Niederholer 41. Groß-Royalsegel-Niederholer 42. Groß-Stengestagsegel-Schot 43. Groß-Bramstagsegel-Schot 44. Groß-Royalstagsegel-Schot 45. Großsegel-Gordings 46. Großsegel-Refftalje 47. Großsegel-Geitau 48. Groß-Untermars-Gordings 49. Groß-Untermars-Geitau 50. Groß-Obermars-Gordings 51. Groß-Obermars-Refftalje 52. Groß-Obermars-Geitau 53. Groß-Stengestagsegel-Fall 54. Groß-Bram-Schot 55. Groß-Obermars-Niederholer 56. Groß-Bram-Gordings 57. Groß-Bram-Geitau 58. Groß-Bramstagsegel-Fall 59. Groß-Royal-Schot 60. Groß-Royal-Gordings 61. Groß-Royal-Geitau 62. Groß-Royalstagsegel-Fall 63. Großsegel-Hals |
64. Groß-Obermars-Fall 65. Groß-Bram-Fall 66. Groß-Royal-Fall 67. Groß-Untermars-Schot 68. Groß-Marsstenge-Windreep 69. Groß-Bramstenge-Windreep 70. Besan-Stagsegel-Niederholer 71. Besan-Stengestagsegel-Niederholer 72. Besan-Topstagsegel-Niederholer 73. Vor-Bram-Brasse 74. Vor-Royal-Brasse 75. Großsegel-Schot 76. Besan-Stagsegel-Schot 77. Besan-Stengestagsegel-Schot 78. Besan-Topstagsegel-Schot 79. Groß-Bram-Brasse 80. Groß-Royal-Brasse 81. Besan-Stagsegel-Fall 82. Besan-Stengestagsegel-Fall 83. Besan-Topstagsegel-Fall 84. Besan-Topsegel-Fall 85. Besan-Topsegel-Ausholer 86. Besan-Topsegel-Einholer 87. Besantop-Ausholer 88. Besantop-Einholer 89. Besan-Gordings 90. Besan-Schothorn-Ausholer 91. Besan-Schothorn-Einholer 92. Besanstenge-Windreep 93. Gaffelklau-Fall 94. Bullentalje 95. Großsegel-Brasse 96. Groß-Untermars-Brasse 97. Groß-Obermars-Brasse 98. Flaggleinen 99. Gaffelger 100. Baumschot X. freie Belegstellen |
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jedenfalls lassen sich die Taue des Besanmastes ebenfalls nach dem bisherigen Schema erklären. Das Besansegel ist mit einer Reihleine an der Gaffel befestigt. Zum Segelsetzen dient das Pikfall, welches vom Besan durch eine Scheibe in der Gaffel zum Eselshaupt und dann abwärts führt. An der gleichen Stelle ist auch sein Gegenstück, der Einholer befestigt. Am unteren äußeren Ende sitzt einerseits der Ausholer, der über eine Scheibe im Baum läuft und andererseits der Einholer. Geborgen wird, das Besansegel mit 3 beiderseits verlaufenden Gordings. Zum Festhalten der Gaffel am Wind dienen die Gaffelgeere. Unten am Baum hält die Schot das Segel an den Wind. In Höhe der Schot greifen außerdem die nach vorn seitwärts führenden Bullentaljen; sie sollen das Hin- und Herschlagen des Baumes bei Seegang verhindern.
Am Besantopsegel gibt es ein Fall, das durch die Marsstenge geführt ist, ferner einen Ausholer nebst Einholer am hinteren, unteren Ende und einen Hals am vorderen, unteren Ende. Mit einer Reihleine wird es außerdem teilweise an der Stenge befestigt.
Als zusätzliche Leinen müßten jetzt noch die Flaggleinen und die Stengewindreeps erwähnt werden. Die zuletzt genannten treten aber nur bei Bedarf in Aktion. Das Stengewindreep dient zum Fieren und Heißen der Stenge, die bekanntlich mit einem Schloßholz auf der Saling sitzt und einerseits in der Saling sowie andererseits im Eselshaupt eine Führung hat. Bei der Überholung der Takelage kann es z.B. notwendig werden, daß eine Stenge gefiert und ausgewechselt werden muß. Außerdem wurden die Stengen oft bei Hafenliegezeiten gefiert. Zur Anbringung des Stengewindreeps gibt es auf jeder Seite des Eselshauptes einen Ringbolzen und im Stengefuß eine Scheibe. Das Reep wird dann an einem der Ringbolzen befestigt. Sein freies Ende steckt man durch die in der Stenge angebrachte Scheibe und führt es weiter durch einen Block, der im zweiten Ring am Eselshaupt hängt. An dem nach unten an dem Block heraushängenden Ende des Reeps kann nun eine mehrscheibige Talje angreifen, mittels welcher die schweren Maststengen auf- und niedergebracht werden.
Die Belegstellen
Zum Belegen der Takelage bedarf es noch einiger Hinweise. Wie eingangs schon erwähnt wurde, existiert von dem beschriebenen Schiff nichts als ein Halbmodell, das selbstverständlich niemals getakelt war. Die in der Bauanleitung beschriebene Takelage ist vom Verfasser nach Wahrscheinlichkeitsgrundsätzen rekonstruiert, wobei andere zeitgenössische Schiffe ähnlichen Typs als Vorbild dienten. Leesegelspieren wurden nicht berücksichtigt, da sie nicht jedes Schiff führte. Dementsprechend sind am Original-Halbmodell auch die Belegstellen nur teilweise und mehr oder minder pauschal angegeben. Entlang der Bordwand gibt es zwar Takelbänke, und am Großmast befindet sich auch ein sogenannter Topgarten; damit sind aber die Beleg-
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stellen, die ein getakeltes Modell haben muß, keineswegs vollzählig. Auf alle Fälle wird man eine Belegbeting hinzuzufügen haben, die auf der Back steht; an ihr werden die Niederholer der Stagsegel belegt. Außerdem müssen auf der Back, und zwar möglichst weit hinten, sowie auf beiden Seiten doppelte Reihen von je zwei Ringbolzen angebracht werden, damit dort die Stagsegelschoten befestigt und entlang geführt werden können. An den vorderen Ringbolzen werden die festen Enden der Schot (stehender Part) befestigt; nachdem sie durch den Schotblock geleitet wurden, wird die holende Part durch einen Fußblock, der in die zweite Ringbolzenreihe eingehängt ist, geführt und auf den ersten Beleqnägeln an Oberdeck belegt. Fast jedes Tau, das von oben herabführt und belegt werden soll, läuft zuerst durch einen Fußblock; es bedeutet nämlich eine wesentliche Erleichterung der seemännischen Arbeit, wenn man ein Tau, das belegt werden soll, von unten nach oben ziehen kann.
Die Masten, an denen es keinen Topgarten gibt, haben doppelte Eisenbänder, in denen einerseits Belegnägel stecken und andererseits Ringe für die Fußblöcke angebracht sind.
Für die Tauführung der von oben nach unten geleiteten Taue sind in den Marsen eine ganze Reihe von Löchern angebracht; an den Hofdtauen sind Klotchen anzubringen, von denen jeweils 2 oder 3 Taue zu den Belegstellen führen. Weitere Einzelheiten sind dem Belegplan und dem Verzeichnis der Belegstellen zu entnehmen.
K. H. Marquardt
Literaturverzeichnis
Otto Höver, Von der Galiot zum Fünfmaster, Bremen 1934
Harold A. Underhill, Masting and Rigging, Glasgow 1946
Harold A. Underhill, Deep — Water — Sail, Glasgow 1952
Rolf Engelsing, Bremen als Auswandererhafen 1683—1880, Bremen 1961
F. L. Middendorf, Bemastung und Takelung der Schiffe, Berlin 1903
Für ein Schlußwort des Verfassers…
reicht es im vorliegenden Jahrgang nicht mehr. In den 10 Monaten, die seit Beginn der Theone-Beitragsfolge vergangen sind, bekam die Redaktion viel Lob und auch ein wenig Tadel zu hören. An das Ohr des Verfassers drang dies alles nur als ferner Lärm, denn er lebt seit mehr als einem Jahr in Australien. Er ist ein Auswanderer des 20. Jahrhunderts und seine Arbeit über die Auswandererfahrt des 19. Jahrhunderts war seine letzte in Deutschland. Zuschriften zum Theone-Beitrag erhielt die Redaktion auch von durchaus kompetenten Persönlichkeiten, deren Meinung wir den Lesern nicht vorenthalten wollen; wir hoffen darauf bei passender Gelegenheit zurückkommen zu können. Zunächst nur so viel:
Es ist an sich schon ein problematisches Unterfangen, wenn jemand ein ganzes Modell beschreibt, wo doch jeder Fachmann weiß, daß als Vorbild nur ein halbes existiert. Was am Vorbild gemessen werden kann, muß an den selbständig erarbeiteten Zutaten nach Ermessen festgelegt werden, und jeder, der von seinem Ermessensspielraum Gebrauch macht, ist auf irgend eine Weise angreifbar. Eine Bauanleitung, wie wir sie seit Heft 3/67 veröffentlicht haben, ist erstlich für den Gebrauch fortgeschrittener Amateure bestimmt. Ihnen wäre mit der wissenschaftlichen Beschreibung eines dem Fachmann ohnehin bekannten Halbmodells nicht gedient. Der Modellbauer interessiert sich für das ganze Schiff, und es ist bei einem Modellbauplan schon sehr viel erreicht, wenn wenigstens die Einzelheiten der Rumpfkonstruktion über jeden Zweifel erhaben sind. Wo der Fachmann Alternativvorschläge, z.B. zu Takelage-Einzelheiten machen kann, wollen wir ihm bei späterer Gelegenheit das Wort geben.
Wir sollten nun die am Beitragsende gebotene Gelegenheit dazu benützen, uns von den Witzblattfiguren der Fliegenden Blätter zu verabschieden, die wir in einem zeitgeschichtlichen Exkurs (Me. 7/67, S. 280 — 290) kennengelernt haben. Sie gehören insgesamt zu der repräsentativen Gruppe der Protestauswanderer, die ihre wagemutige Reise im Zeitalter der Romantik mit biblischen und sozialkritischen Motiven verständlich zu machen suchten. Der vormarxistische Revolutionär Barnabas Wühlhuber sieht sich nach der Ankunft in der neuen Welt mit dem bürgerlichen Spekulanten Casimir Heulmaier im Elend vereint (Abb. 3). Von der wehmütigen Dichtung „Die Auswanderer“ des Georg Scherer können wir nur die letzte Strophe zitieren (Abb. 4), weil die übrigen sogar für den Zeitgeschmack fast zu schön waren. Das poetische Kunstwerk, das in den Fliegenden Blättern von 1847 veröffentlicht wurde, steht unter dem Motto von F. Freiligrath: „O sprecht, warum zogt ihr von dannen?“ — Red.