Wapen von Hamburg III
Ja oder Nein?
Zuerst veröffentlicht in: HANSA – Wöchentlich erscheinendes Zentralorgan für Schiffahrt, Schiffbau, Hafen. 92. Jg., Hamburg 1955. |
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In nachstehenden Ausführungen handelt es sich um das Modell des Konvoischiffes „Wapen von Hamburg“, das im Treppenhaus des Museums für Hamburgische Geschichte aufgestellt und über das von Prof. Reincke vom Staatsarchiv Hamburg und dem Modellbauer Bernhard Schulze ausführlich berichtet ist.*)
Diese Frage ist es wert, einmal aufgeworfen zu werden. Es gibt an diesem Modell so viele zweifelhafte Punkte, daß man nicht unbedingt ja sagen kann.
Das Modell ist zwar sehr schön und vor allen Dingen — groß, aber muß es deshalb unbedingt das „Wapen von Hamburg III“ sein? Ich meine, bevor man versucht, die positiven Punkte der Erforschung ins rechte Licht zu setzen, sollte man das Negative von allen Seiten beleuchten. Da dies versäumt wurde, möchte ich als schiffbaugeschichtlich interessierter Schiffsmodellbauer einige Fragen aufwerfen, die das Gespräch über dieses Modell wieder in Gang bringen könnten. Zu einem hieb- und stichfesten Forschungsbericht kann man doch nur gelangen, wenn man für alles eine Erklärung findet. Dies ist leider in der Broschüre — Das Hamburgische Convoischiff „Wapen von Hamburg III“, Modell und Geschichte von Heinrich Reincke und Bernhard Schulze — nicht geschehen. Durch die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse von Prof. Dr. H. Reineke ist wohl eine wichtige Arbeit publik gemacht worden, jedoch kann man diese nicht als Schlußstrich unter einem Kapitel Schiffbaugeschichte ansehen. Vielmehr ist es eine Einleitung, der noch mehr oder minder fruchtbare Arbeit folgen sollte. Ob der Schlußstrich jemals gezogen wird, ist noch zweifelhaft.
Vor 1 1/2 Jahren schrieb ich meine Bedenken dem bekannten englischen Schiffbauhistoriker R. C. Anderson. Er gab mir kurz vorher wichtige Anhaltspunkte zur Erforschung des von mir restauriertenn Dreideckers aus dem Besitz S. Kgl. H. des Erb-großherzogs von Oldenburg. Leider habe ich auf meine Fragen bezüglich des „Wapen von Hamburg“ keine Antwort erhalten. Mögen seine Gründe hierfür uns unbekannt bleiben; das Modell in unseren Gesichtskreis gerückt und gibt Anlaß zur Diskussion.
Folgende Punkte sind nun der Behandlung wert. Es sind Punkte, die selbst dem oberflächlichen Betrachter zu denken geben.
1. Die Bauweise des Rumpfes ist mit seinem Rundgatt typisch englisch. Während in England diese Bauweise seit der Mitte des 17. Jahrhunderts im Gebrauch war, wurde sie im holländischen Schiffbau erst beim Bau der „Provintie Utrecht“ 1728 durch den englischen Schiffbaumeister Thomas Davis eingeführt.
Der hamburgische Schiffbau war aber lange Zeit durch den holländischen beeinflußt worden (siehe „Wapen von Hamburg I“ usw.). Es ist deshalb fraglich, ob man in Hamburg eher die Vorteile des Rundgatts erkannte als in Holland. Wenn nun das „Wapen von Hamburg III“ von einem jungen Schiffbaumeister, der in England gelernt hatte, ausgeführt worden wäre, könnte man diese Neuerung hinnehmen. Nun war aber der Schiffbaumeister Jacob Mencke wohl gewiß nicht mehr der Jüngste, denn er war Ältermann des Schiffbaueramtes und — im Schiffbau ist man konservativ.
2. Die runden Stückpforten des Halb- und Hüttendecks und der Back sind auch englische Details.
3. Ein grober Unterschied zwischen dem Modell und den Unterlagen ergibt sich in der Zahl der Bestückung. Während aus der — Taxe der Bestückung des „Wapen von Hamburg“ 1728 — hervorgeht, daß 52 verschiedene Kanonen an Bord waren und an einer anderen Stelle von einem 56-Kanonen-Schiff gesprochen wird, besitzt das Modell 74 Stückpforten. Diese Differenz hätte doch auffallen müssen.
4. Der Spiegel ist in seiner strengen Form wohl kaum das Werk eines barocken Meisters. Das genau festzustellen ist eine Aufgabe für den Kunsthistoriker. Vor allem, ist das eine Arbeit J. Ch. v. d. Heydens? Soweit ich die Spiegelformen des 18. Jahrhunderts verfolgen kann, gehört dieser in das letzte Vierteljahrhundert. Der eckige Ansatz der Taschen entstand erst im Zuge der strengeren Stilformen. Während in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts runde Taschen und üppige Spiegel in der Schiffahrt vorherrschten, ging man mit dem Abklingen des Rokokos zu der obengenannten Form über. Es war ein Ineinanderfließen der Stilelemente, so daß man keine genauen Jahreszahlen feststellen kann. Meiner Meinung nach ist dieser Spiegel aber schon zu ausgeprägt, als daß man ihn noch als Mischform ansprechen dürfte.
Falls die drei Lampen am Spiegel und die am Großmars nicht Zutaten neueren Datums sind, gilt auch das als ein Zeugnis gegen das „Wapen von Hamburg III“, denn dieses Schiff wurde nie von einem Admiral befehligt, sondern hatte nur einen Kapitän. Drei Laternen am Heck und eine am Großmars bedeuten aber, daß dieses Schiff als Flaggschiff einer Flotte fährt
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und einen Admiral beherbergt. Zwei Laternen stehen dem Vizeadmiral zu und alle übrigen Schiffe, gleich welcher Größe, die als obersten Vorgesetzten einen Kapitän an Bord haben, fahren nur eine Laterne. Der Laternenordnung zufolge dürfte also das „Wapen von Hamburg“ nur eine Laterne führen.
5. Ein weiterer Angriffspunkt zur Enträtselung des Modells ist die Galionsfigur. Im Gegensatz zu den Holländern, die bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts bei Kriegsschiffen den Löwen als Galionsfigur vorschrieben und nur in der Handelsschiffahrt dazu übergingen, den Namen des Schiffes in der Galionsfigur widerspiegeln zu lassen, besaß die englische Flotte diese Eigenart bereits seit langem. Da das Modell außer vielen englischen Eigenheiten nun Neptun als Galionsfigur und auch als Gegenstück im Spiegel führt, wäre der Name des Schiffes wohl eher in einer fremden, vielleicht englischen, Flottenliste als Neptunus, Triton oder dergleichen zu suchen als im Hamburger Konvoiregister.
6. Zu den vom Modell geführten Papageienstöcken, die zur Führung der Fockhalsen dienen, gehört eine modernere Takelung als die angebrachte. Da aus der bestehenden Takelage, welche vielfach verfälscht wurde, keine Schlüsse auf das Modell gezogen werden können, müssen wir auf die wohl noch ursprünglichen Papageienstöcke zurückgreifen. Diese gehören
aber nicht zu einer Spritmast-Takelage, sondern frühestens in das 3. Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts.
Soweit nun die Punkte, die sich bei einer oberflächlicher Überprüfung der Dinge aufdrängen. Bei intensiver Forschungsarbeit würde noch ein viel feinmaschigeres Bild über die Art und Zeit des Modells entstehen. Ich halte es für jünger als angenommen, frühestens Mitte 18. Jahrhundert und englischer Bauart.
Der einzige Stützpfeiler der bisherigen Forschung, das Tammsche Wappen, ist auch etwas morsch, denn das Wappen ist später hineingeschnitten worden. Wann dies geschah, ist gewiß nicht festzustellen. Über das Warum nachzudenken, würde wohl erst akut werden, wenn einwandfrei festgestellt würde daß das Modell in Hamburg nicht seine Heimat hat.
Mögen nun, auch auf die Gefahr hin, den Glorienschein von dem Modell nehmen zu müssen, Wissenschaftler ernsthaft Punkt für Punkt durchgehen und etwas Licht in die Angelegenheit bringen. Es kann nur zum Segen für die Schiffahrtgeschichte sein.
Karlheinz Marquardt