Katten oder Katt-Schiffe

Katten oder Katt-Schiffe
Randbemerkungen der Schiffahrtsgeschichte

Zuerst veröffentlicht in:
DAS LOGBUCH 1994/4,
Arbeitskreis historischer Schiffbau e.V., Köln.
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PDF/HTML/EPUB-Umsetzung: Bodo van Laak

Die Geschichtsschreibung der Schiffahrt wurde, wie die der allgemeinen Geschichte, vorherrschend von Kriegen und den dafür gebauten Fahrzeugen beeinflußt. Sie waren schon immer die dominierenden und richtungsweisenden Typen, gepriesen und auf Bildern verewigt. Die dem Frieden und Handel dienenden waren dagegen nur Randbemerkungen, über die der Chronist nicht viel auszusagen wußte. Zweckgebunden wie die Kriegsschiffe, fehlte ihnen der Glanz und die Glorie, denn Handel war Alltag und so waren die damit verbundenen Schiffe. Von einigen der sehr gebräuchlichen Typen blieb etwas mehr in der Erinnerung haften, von anderen nur die Namen und ein paar Hinweise in zeitgenössischer Literatur. Ein solcher nahezu vergessener Typ ist die KATT oder das KATT-SCHIFF, heute sehr häufig mit der frühen BARK verwechselt.

Was war nun diese KATT? Sie war ein nordeuropäisches. völlig gebautes Handelsschiff des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts mit etlichen der Bark ähnlichen, jedoch überwiegend unterschiedlichen baulichen Merkmalen. Frederik Henrik af Chapman, dessen Werk ARCHITECTURA NAVALIS MERCATORIA von 1768 zehn Risse dieser Schiffe aufweist, stufte die Katt nach der Fregatte, dem Heckboot und der Pinke als vierte in seine Schiffsklassifizierung ein und umriß mit seinen Rissen nicht nur das gesamte Spektrum der Größe, sondern auch der Takelung. Er zeichnete Katten von 43 bis 1097 Tonnen und versah sie entweder mit dreimastiger Schiffstakelung. takelte sie als Schnau. als Brigantine oder als Schlup. Eine Takelage jedoch, die Polakertakelung, oder wie er sie nannte, die Krayertakelage. die man gewöhnlich mit diesem Typ assoziiert, ließ er außer acht. Sie ist in seinem Werke nur einer kleineren Bark zugeeignet.

Abb 1: Zwei Katschepen im Hafen liegend. Tuschlavierte Bleistiftzeichnung auf grauem Papier um 1665 von Willem van de Velde, dem Alteren

Abb 1: Zwei Katschepen im Hafen liegend. Tuschlavierte Bleistiftzeichnung auf grauem Papier um 1665 von Willem van de Velde, dem Alteren

Nicolas Witsen verwies 1671 auf Katschepen als eine Kreuzung zwischen einem Bojer und einer Fleute, die bereits eine Gaffel am Besanmast führte, dabei vermerkend, daß sie keine Direktentwicklung des einen oder anderen war. Das von ihm in seinem Werke festgelegte Bauzerter war für ein Katschepen (Katt) von 116 Amsterdamer Fuß (Amsterdamer Fuß = 0.283 Meter) bestimmt. Eine etwas frühere Darstellung zweier Handelsschiffe, bei dem das größere sicherlich den von Witsen erwähnten Maßen gleichkommt und die ich von ihrer Baustruktur her einwandfrei als Katts identifizieren möchte, ist um 1665 herum als tuschlaviertc Bleistiftzeichnung von Willem van de Velde dem Älteren geschaffen worden. Der darin gezeigte Typ kann bestenfalls als eine durch die Popularität der weiträumigen Fleute angeregte Parallelentwicklung gewertet werden.

Im Gegensatz zu Bojer und Fleute war die Katt nicht holländischen Ursprungs. Diese wurde erstmalig 1705 im GEÖFFNETEN SEEHAFEN beschrieben: „CHAT ist ein Nordisches Schiff mit einem runden Hintertheil und Masten / jedoch ohne Körbe.“ Eine Feststellung, die wie ein roter Faden durch die Literatur des achtzehnten Jahrhunderts geht. William Falconers UNIVERSAL DICTIONARY OF THE MARINE nennt sie 1769 ein „im Kohlenhandel beschäftigtes Schiff, das nach dem norwegischen Modell geformt wurde“, VOCABULAIRE DES TERMF.S DE MARINE ANGLOIS & FRANCOIS (Antoine Lescallier) von 1777 spricht von einer Art „Handelsschiff, von den Dänen, besonders in norwegischen Häfen und denen anderer nordischer Länder. einschließlich englischer, benutzt“, und bei David Steel, ELEMENTS OF MASTMAKING, SAILMAKING AND RIGGING war es 1794 „ein bei den nördlichen Staaten Europas benutztes Fahrzeug mit drei Masten und einem Bugspriet, ähnlich getakelt wie ein englisches Schiff, hat es jedoch Pfahlmasten und keine Bramsegel. Der Besan steht an einer Gaffel. Diese Fahrzeuge sind mitunter im englischen Kohlenhandel tätig“. Johann Hinrich Röding, der Verfasser des ALLGEMEINEN WÖRTERBUCHES DER MARINE von 1793 hatte eine ähnliche Aussage: „Ein dreymastiges Fahrzeug, das insonderheit in Norwegen, Schweden und Dänemark gebraucht wird, es ist ungefähr wie ein Fleutschiff gebauet und blos zum Handel eingerichtet. Es führt Polacker Takelasche, das heisst, die Masten haben keine Stengen, sondern bestehen aus einem Stück. Bramsegel können daher auf diesen Fahrzeugen selten gebraucht werden. Die Segel sind übrigens ebenso beschaffen wie auf dreymastigen Schiffen. Die Engländer bedienen sich der Katten auch zum Steinkohlenhandel“ und Dr. J. W. D. Korth, DIE SCHIFFBAUKUNST, nannte sie noch 1826: „die gewöhnlichen Kohlenschiffe und dem Norden zugehörig“.

Abb. 2: Niederländische Fleute, Kupferstich von Wenzel Hollar 1647. Der Unterschiede zwischen diesem Fahrzeug und einer Katt der gleichen Periode sind klar erkennbar.

Abb. 2: Niederländische Fleute, Kupferstich von Wenzel Hollar 1647. Der Unterschiede zwischen diesem Fahrzeug und einer Katt der gleichen Periode sind klar erkennbar.

Die dritte Art, welche Herr Chapman Barken und Katten nennt, führen wenig oder gar kein Geschütz, sind bloß zum Handel eingerichtet, so dass ihre Hauptbstimmung die ist, bey der größten möglichen Ladung, welche ein Gebäude von gleichem Besteck faßt, mit der geringsten Bemannung fahren zu können, und dadurch den beyden bloß ökonomischen Forderungen der Handelsschiffahrt zu entsprechen. Fahrzeuge dieser Art sind gewöhnlich, ohne alle beträchtliche Verzierungen, nicht so gute Segler als Fregatten…“ mit diesen Worten umriß 1791 Ch. G. D. Müller eine die Katt betreffende Anmerkung in seiner deutschen Übersetzung des H. L. Duhamel du Monceau Werkes ELEMENS DE L’ARCHITECTURE NAVALE OU TRAITÉ PRATIQUE DE LA CONSTRUCTION DES VAISSEAUX. In dieser Beschreibung wird der Grund für die Entwicklung des Types deutlich sichtbar.

Die sich im siebzehnten Jahrhundert abzeichnende Schaffung von ständigen Kriegsflotten und die immer geringer notwendig werdende Eingliederung von bewaffneten Handelsschiffen in Konfliktzeiten ließ neben den kleineren Fahrzeugen im Küstenverkehr nun auch die Entwicklung von speziellen Massengutschiffen zu. Massengut des achtzehnten Jahrhunderts war neben Getreide hauptsächlich Holz und Kohle und die Hauptexporteure waren die baltischen Staaten, Skandinavien und der englische Kohlenbereich um Ncwcastle.

Handel war für die seefahrenden Holländer eine Lebensnotwendigkeit und so nimmt es nicht Wunder, daß man hier zuerst mit speziellen Hochsee-Frachtschiffen experimentierte. So vermeldet die D. Velius Chronik von 1604. daß im Jahre 1595 in der Stadt Hoorn ein neuer Schiffstyp, Fleute genannt, gebaut wurde. Ein sich sehr schnell durchsetzender Typ, denn nach den ersten acht Jahren waren bereits achtzig Fleuten in der Handelsflotte dieser Stadt beschäftigt. Man holte in den Fleuten Getreide aus dem Osten, Holz aus Norwegen und mehr exotische Handelsware aus dem Mittelmeerraum. Fleuten segelten nach Brasilien, den West-Indischen Inseln und einige wurden als Zubringer der großen Ostindien Companie Schiffe in Batavia, dem heutigen Jakarta, gebraucht. Erstmalig wurde auch ein solches Frachtschiff für Entdeckungsreisen benutzt. Die Fleute ZEEHAEN war 1642/43 eines der beiden Expeditionsschiffe Abel Tasman’s, mit denen er die australische Insel Tasmanien, Neu Seeland, Tonga, Fidschi, die Nordseite Neu-Guineas usw. entdeckte. In der zweiten Jahrhunderthälfte wurden Fleuten auch in Frankreich gebaut, wie Jean Jouve’s Zeichnung einer in La Rochelle gebauten 200 Tonnen Fleute zeigt.

Eine Riesenflotte dieser und verwandter Schiffe, die man alle in England unter dem Sammelnamen FLY-BOAT zusammenfaßte, mußte in Holland vorhanden gewesen sein, wenn allein während der drei Englisch/Holländischen Kriege tausende als Prisen in England verkauft wurden. Eine wirtschaftliche Dringlichkeit für eigene unbewaffnete Massengutträger wurde in diesem Lande daher erst offenkundig, als die billigen Kriegsbeuten das Ende ihrer Brauchbarkeit erreicht hatten. Während der Begriff FLIGHT oder FLY-BOAT in England für alle Fleuten oder ähnliche Fahrzeuge galt, machte DER GEÖFFNETE SEE-HAFEN von 1705 einen Unterschied zwischen diesen. „Das FLIBOT, oder die kleine FLIUTE ist ein Fahrzeug mit einem weiten Bauch / ohne Hinter- und Forder-Mast. Man heisset es sonsten PINQUE, oder Englisches FLIBOT, und kann nicht über 100 Tonnen tragen…“ außerdem an anderer Stelle: „FLIBOTS sind mit den Fleuten gleich / aber kleiner. Sind leicht zu Segeln / und sehr bequehm auff der offenbahren See zu fahren: Von welcher Art man viel zu Hamburg siehet. Während die FLÜTE oder FUSTE, ist ein Last-Schiff / welches mit langen und ebenen Quer-
Balcken versehen / und am Hintertheil rund ist / führet ohngefehr 300 Tonnen
“, und: „FLEUTEN, sind von grösse wie FREGATTEN, aber runder und haben keine Ausrundung (Gillung) hinten“. Fleuten verschwanden von der Schiffahrtsszene gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts. Röding (1794) sprach von ihnen noch als „grosses dreymastiges Fahrzeug, welches vorne und hinten sehr breit ist, auch unten einen sehr flachen Boden hat. Im Verhältnis ihres grossen Körpers haben die Fleuten eben keine hohe Masten und segeln daher nur sehr langsam. Sie werden noch von den Holländern und Hamburgern zur Kauffardey und insonderheit zum Wallfischfang gebraucht [..] Hinten haben sie sehr starke Billen und einen breiten Hackbord. Man hat Fleuten von 300 bis zu 900 Last. Da diese Fahrzeuge aber zu plump gebauet sind und einen zu langsamen Gang haben, so werden sie nur wenig mehr gebraucht“. Eine Beschreibung, die nicht mehr die einer Fleute, sondern die eines Bootschiffes war.

Abb 3: Französische Fleute war von 200 Tonnen und in La Röchelte registriert.

Abb 3: Französische Fleute war von 200 Tonnen und in La Röchelte registriert.

Der Bau von größeren Frachtschiffen begann in England aus dem vorgenannten Grunde erst um den Ausgang des siebzehnten Jahrhunderts und zwar dort, wo der Transportraumbedarf dafür am größten war. North Yorkshire mit den Städten Whitby, Scarborough und Werften an den Flüssen Tyne und Tees wurden zum Zentrum dieser neuen Entwicklung und eine größere Version der weitbauchigen holländischen Prisen, die North Countra Cat entstand. Zeitgenössischen Berichten zur Folge war sie entsprechend der norwegischen Katt geformt, einem Typ, der den Holz- und Kohlenhändlern Nordost Englands durch ständige Kontakte sicher genau so geläufig war wie die Fleute Hollands. Diese neue englische Frachtschiffentwicklung wurde dann auch als CAT und nicht als FLIGHT oder FLYBOAT bezeichnet. Samuel Scott, einer der großen englischen Marinemaler, gab in seinem Bilde Seeklar machende dänische Holzhandels-Bark von 1759 nicht nur eine detailierte Darstellung dieser Bark, sondern zeigt auch eine nicht weniger deutliche Achteransicht und ein seitliches Achterschiff englischer Cats. Aus diesem Bilde kann eine weitgehende Übereinstimmung zwischen den englischen Cats der Jahrhundertmitte und den von Chapman dargestellten schwedischen Katten herausgelesen werden.

Der Beginn der norwegischen Katt liegt mehr im Dunkeln als der von Fleute und Cat. Aus den Worten Witsen’s und des unbekannten Verfassers des GEÖFFNETEN SEE-HAFENS geht bereits hervor, daß wir es nicht mit einer Variante der Fleute zu tun haben. Wann ihre Entwicklung begann, mag vielleicht in irgendwelchen norwegischen Handelspapieren des frühen siebzehnten Jahrhunderts begraben sein. Die Ausfuhr nordischen Langholzes auf niederländischen Fleuten wird wahrscheinlich sehr schnell norwegische Holzhändler dazu angeregt haben, auf eigenen Werften den Bau großer Frachtträger zu unternehmen, und der Typ der Katt entstand. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts war sie jedenfalls kein kleines Schiff mehr. Das bestätigt uns neben Witsens Abmessungen eine dänisch/norwegische Flottenliste der Zeit. Das erste darin einwandfrei als Katt zu identifizierende Fahrzeug ist die GRAA KAT, erstmalig 1678 aufgeführt und 1704 abgebrochen. Sie war mit acht Kanonen bestückt und hatte ein Länge von 120 Fuß 6 Zoll, eine Deckbalkenbreite von 22 Fuß 6 Zoll und ein Hol von 11 Fuß 9 Zoll dänischen Maßes (1 Fuß = 313,8 mm); wahrscheinlich kein kleines Schiff. In der schwedischen Liste tauchen um 1685 einige Katten auf. Abmessungen sind nicht gegeben. In diesen Flottenlisten waren auch seit 1621 (schwedisch) und 1670 (dänisch/norwegisch) Fleuten verzeichnet, ein Hinweis nicht nur auf die Parallelität der Typen. Die spätere Verwendung von Katten in der Flotte mag – braucht jedoch nicht, da Katten noch weniger als Fleuten für den Flottendienst geeignet waren – auf eine etwas spätere Entwicklung dieser verweisen.

Abb. 4: Eine Katt. Darstellung aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, wie sie in den Werken von Lescallier, Röding und Steel erschien.

Abb. 4: Eine Katt. Darstellung aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, wie sie in den Werken von Lescallier, Röding und Steel erschien.

Zweckgebundene Nebenentwicklungen des achtzehnten Jahrhunderts waren das BOOTSCHIFF und das HECKBOOT. Das Bootschiff, größtenteils als Walfänger oder Grönlandfahrer gesehen, war mit einem sehr vollem runden Heck und einem breiten Spiegel versehen, der nicht wie der anderer Typen integriert, sondern wie eine etwas mißglückte Zutat aussah. Im Achterschiff gab es ein Halbdeck mit den darunter befindlichen Quartieren der Besatzung. Dort waren auch außenbords die Boote für den Walfang aufgehangen, die dem Typ den Namen gab. Das Vorschiff war schlicht und ohne verzierter Gallion und hatte gewöhnlich keine erhöhte Back. Die Bootschiffe waren stark gebaut und langsame Segler.

Abb. 5: Plan einer Katt, von F. H. af Chapman 1768, 711 Tonnen. Länge über dem Steven 134 Fuß. Breite auf dem Spant 34 Fuß, Hol 18 Fuß.

Abb. 5: Plan einer Katt, von F. H. af Chapman 1768, 711 Tonnen. Länge über dem Steven 134 Fuß. Breite auf dem Spant 34 Fuß, Hol 18 Fuß.

Abb. 6: Bootsschiff oder Grönlandfahrer. Kupferstich von Gerrit Grönewegen 1789.

Abb. 6: Bootsschiff oder Grönlandfahrer. Kupferstich von Gerrit Grönewegen 1789.

Abb. 7: Eine Katt beim Anker einholen. Kupferstich von Gerrit Grönewegen 1789.

Abb. 7: Eine Katt beim Anker einholen. Kupferstich von Gerrit Grönewegen 1789.

Vom Heckboot ist zu sagen, daß die Entwicklung dieses Typs im skandinavischen Raum eine Brücke zwischen dem sehr schlicht gebautem Lastschiff, wie Katt und Bark, und der Fregatte schlug. Hier nun wieder eine zeitgenössische Beschreibung von Chr. G. D. Müller: „Die der zweyten Art unter dem Namen HECKBOOT und PINKEN sind in jeder Rücksicht das Mittel zwischen den beyden erläuterten Arten, [Fregatten und Barken bzw. Katten], sie können einiges Geschütz führen, sind flacher im Boden als Fregatten, doch etwas schärfer als die Barken, nicht völlig so gute Seegler als jene, doch etwas besser beseegelt als diese, dagegen fordern sie auch eine etwas stärkere Bemannung als die Katten, und etwas mehr Ballast. Ausserwesentlich ist, daß man auf ihre äussere Verziehrung etwas mehr verwendet als bey der dritten Art“. Heckboote hatten ein ornamentiertes Gallion, Spiegel und Seitengallerien.

Abb. 8: Plan einer Bark, von F. H. af Chapman 1768, 990 Tonnen, Länge über dem Steven 142 Fuß 6 Zoll, Breite über dem Spant 34 Fuß 8 Zoll, Hol 19 Fuß

Abb. 8: Plan einer Bark, von F. H. af Chapman 1768, 990 Tonnen, Länge über dem Steven 142 Fuß 6 Zoll, Breite über dem Spant 34 Fuß 8 Zoll, Hol 19 Fuß

Nach der Beantwortung der Frage, was war eine Katt und wie kann sie in die vielfältige Typenordnung der Handelsschiffe des 18. Jahrhunderts eingegliedert werden, verbleibt noch die, wie sah sie aus?

Die Kurzbeschreibung von 1705 sprach von einem Schiff mit einem runden Hinterteil und Masten ohne Körbe. Spätere Aussagen (Falconer 1769) weisen auf einen schmalen Spiegel, ein aufgebautes Achterdeck und einer tiefen Kuhl hin. Sie war stark gebaut, vorn und hinten sehr rund (Lescallier 1777) und ein schlechter Segler (Korth 1826).

Diese kurzen Hinweise zusammen mit den Abmessungen von 1671 und 1678 zeichnen ein Bild von einem Schiff, daß ein Maximum an Räumlichkeiten im Verein mit großer Seetüchtigkeit aufwies. Sie sprechen auch von einer Decksanordnung, die einer Fregatte ähnlich war. Es gab das durchgehende, seitlich eingeplankte Oberdeck, mittschiffs eine Kuhl formend, die erhöhte Back und das gleichfalls erhöhte Achterdeck (Halbdeck) mit den Quartieren darunter. Große Katten hatten außerdem noch eine Hütte im Achterschiff über dem Halbdeck und wie Chapman uns wissen läßt, ein Zwischendeck. Im Unterschied hatte die Bark ein durchgehendes Oberdeck ohne Kuhl und ohne stark erhöhtes Vor- und Achterschiff. Es „hat gewöhnlich ein glattes Deck und einen Spiegel, aber keine Gallerie und kein Gallion“, sagte Röding.

Diese Glattdeck-Situation der Bark, mit den Unterkünften entweder völlig oder zur halben Höhe unter Deck angebracht, ließ das Achterdeck nur mitunter um 2 bis 3 Fuß und das Vorschiff um einen Fuß erhöht erscheinen und anstelle der festverplankten Kuhl gab es nur eine offene Reling. War der Vorsteven ohne Gallion und der volle Bug beiden Typen gemeinsam, so ergab sich aus der unterschiedlichen Deckanordnung ein gegenüber der Katt verschieden gestaltetes Heck. Das völlige Rundgatt der Bark war in seiner Konstruktion mit dem nur leicht gebogenen Hcckbalken und den Worpen einer Fregatte gleich. Darüber folgte eine auswärts gebogene untere Gillung, eine flache obere Gillung und der eigentliche Spiegel. Der Heckbalken und das verhältnismäßig breite Achterschiff resultierten in einen breiten Spiegel, und das Hennegatt des Ruders befand sich in der unteren Gillung.

Abb. 9: Anbringung der Worpen in der normalen Heckbauweise, Zeichnung K. H. Marquardt

Abb. 9: Anbringung der Worpen in der normalen Heckbauweise, Zeichnung K. H. Marquardt

Die Gestaltung des Katt-Rundgattes war mehr die von Chapman PI. VIII Nr. 11 an einem Heckboot demonstrierte. Anstelle von horizontalen Worpen sind dort vertikale Heckstücke erkennbar, die wie die Bugstücke durch horizontale Bänder verstärkt wurden. Die in der Bark-Konstruktion sichtbare untere Gillung existierte nicht und der Heckplankenverlauf wurde höher gezogen und endete ober- und außerhalb des Hennegatts. Aus dieser Form und dem normal hohen Achterdeck mit einer eventuellen Hütte darüber, ergab sich ein wesentlich höherer und schmalerer Spiegel als der einer Bark. Beiden Typen gemeinsam war das Fehlen der Seitengallerien. Anstelle dessen fand man häufiger beidseitig ein Badge genanntes ornamentiertes Seitenfenster der großen Kajüte. Den rundgattigen Schiffen ohne untere Gillung (Heckboot, Pinte, Fleute und Katt) gemeinsam war eine Zierleiste, die in mehr oder weniger vorwärts gebogener Form die Außenseiten der oberen Gillung mit dem Achtersteven verband. Diese augenfällige Leiste macht auch für den uneingeweihten Beobachter das Erkennen einer Katt leicht, denn eine Bark führte diese Verzierungsleiste nicht. Ein Vergleich der Spantenrisse Chapmans läßt außerdem auf einen etwas volleren Mittelspant der Bark gegenüber der Katt schließen.

Abb. 10: Anbringung der vertikalen Heckstücke an einem Heckboot, F. H. af Chapman 1768.

Abb. 10: Anbringung der vertikalen Heckstücke an einem Heckboot, F. H. af Chapman 1768.

Soweit die allgemeinen Unterschiede zwischen den beiden Typen, die häufig von modernen Schreibern in einen Topf geworfen werden. Bark und Katt waren wohl beide zur gleichen Zeit die Hauptlastschiffe im nordeuropäischen Raume, aber wie wir gesehen haben, waren sie in Form und Einrichtung doch nicht identisch genug um verwechselt zu werden. Schiffstypen des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts waren zum großen Teil noch Bezeichnungen der Rumpfform, eine Klassifizierung entsprechend der Takelage befand sich noch in ihren Anfangsgründen. KATT und BARK müssen deshalb als Rumpfform gesehen werden.

Ihre Takelung konnte vielseitig gewesen sein. Chapman versah seine Katten mit der Schiffstakelage einer Schnau, einer Brigantine und einer Schlup. Sie war also je nach Größe einmastig, zweimastig oder dreimastig. Abgesehen von af Chapman’s Darstellungen, einer großen Katt in Gerrit Groenewegen’s VERZAMELING VAN VIERENTACHTIG STUKS HOLLANSCIIE SCHEPEN von 1789 und einem um 1750 datierten CAT Modell im National Maritime Museum Greenwich, stimmte man unter den zeitgenössischen Berichterstattern allgemein überein, die Katt mit der Polakertakelung zu identifizieren. Die 1705 Beschreibung spricht von „Masten / jedoch ohne Körbe&#8220, also Pfahlmasten ohne Marsen, eine Anordnung die auch schon auf W. v. d. Velde’s Zeichnung erkennbar ist und die auch Witsen’s Hinweis auf eine Gaffel am Besanmast beinhaltet. Lescallier’s Katt von 1777 zeigt Pfahlmasten, die Kurzbeschreibung Steel’s von 1794 spricht von Pfahlmasten, keinen Bramsegeln und einer Besan-Gaffel und Röding führt aus: „Bey den Katten, Kreyern, Barken in der Mittelländischen See und zuweilen auch bey den Schebecken findet man Polacker Takelasche“. Der Begriff Polakertakelage für eine nordische Pfahlmasten-Takelung geht aber erst auf die Mitte des 18. Jahrhunderts zurück, denn der Polaker des Mittelmeerraumes fuhr in der ersten Hälfte des Jahrhunderts noch eine Mischtakelung von Quer- und Lateinsegeln. Dieser Begriff kam aus dem französischen Raum zu uns. Falconer 1769 berichtet: „Einige von diesen jedoch führen Quersegel an allen drei Masten, besonders die aus der Provence in Frankreich“. Einheitlichkeit in der Takelung kann nach diesem kurzen Querschnitt selbst nicht einmal innerhalb einer Region angenommen werden. Sie hing gewöhnlich von der zu erstrebenden Wirtschaftlichkeit ab, die entweder ein Zeit- oder ein Bemannungsfaktor war.

In der dreimastigen Takelung unterschied man zwei Arten. Die Schiffs- oder auch Fregatt-Takelung genannte Vollbesegelung mit Masten und allen notwendigen Stengen und die Polakertakelung, eine vereinfachte, auf den Bemannungsfactor Rücksicht nehmende Pfahlmast-Takelung. Chapman’s ARCHITECTURA NAVALIS MERCATORIA zeigt bei den dreimastigen Katten nur die deutlich an der Position der Rüstjuffern erkennbare Fregatt-Takelung. In dieser stand das vorderste Want gewöhnlich in einer ungefähren Linie mit der Rückseite des Mastes. Diese Position war genügend, um an einem normal hohen oder längeren Mast der Unterrah Raum zum anbrassen zu geben. Die Polakerbesegelung nordischer Schiffe hatte aber kürzere Masten und zum Ausgleich dieser breitere Unterrahen. Um bei dem resultierenden stumpferen Winkel der Wanten den gleichen Anbrasswinkel der niederen und weiteren Rahen zu erreichen. mußte das Vorderwant weiter nach hinten gesetzt werden. Diese Situation ist deutlich auf dem Admiralitätsplan der Bark EARL OF PEMBROKE vor ihrem Umbau zur H. M. BARK ENDEAVOUR erkennbar. Sie war also mit einer solchen arbeitssparenden Takelung versehen. Af Chapman, der in seinem gesamten Werk nur ein Fahrzeug mit diesem Jufferarrangement zeigt, eine kleine Bark auf Tafel XXIX / Nr. 8, macht auf Tafel LXII / Nr. 10 unter der Bezeichnung KRAIER eine solche Plazierung in einer, jedoch einfacheren Polakertakelung sichtbar. Sie ist außerdem auf dem Titelbild seines Werkes zu finden, während das zeitgenössische Modell der schwedischen Turunmää LODBROK von 1771 im Sjöhistoriska Museum Stockholm, eine seiner Entwicklungen für die schwedische Küstenflotte, eine volle Polakertakelung besitzt, an der ebenfalls das Zurücksetzen der Wanten studiert werden kann. Der Unterschied zum Handelsschiff ist hier hauptsächlich in der Führung eines Klüverbaumes zu finden.

J. H. Röding beschreibt die Polakertakelung wie folgt: „Die Takelasche der Pfahlmasten nennt man überhaupt Polacker Takelasche. Solche ist beynahe ebenso beschaffen, wie bey jedem anderen grossen Schiff. Auf einer erforderlichen Höhe legt man um einen Pfahlmast Flechtlingen oder einen Kranz und Serwingen, welche die Wanten, Stagen und Hanger der Seitentakel tragen. Daß die Masten keinen Mars noch Eselshaupt haben, sondern aus einem Stück bestehen (den Besahnmast zuweilen ausgenommen), so haben sie auch kein Stengenwindreep, keine Puttingtauen und keine Stengenwanten. Damit man aber in die Spitze kommen kann, so hängt von derselben bis an die Flechtlingen an beyden Seiten des Masts eine Sturmleiter. Die Segel sind insgesamt Raasegel und heissen eben so wie auf andern Schiffen. Da den Mars und Bramsegeln aber nichts im Wege ist was sie aufhält, so können sie beyde bis an die unterste Raa gestrichen werden, welches bey einem plötzlichen Windstoss von grossen Nutzen ist. Ueberdem hat diese Takelasche den Vortheil, dass sie sehr leicht ist. Was aber der Polaker Takelasche zum Nachtheil gereicht, ist: dass, wenn das oberste Ende eines Mastes verlohren geht oder bricht, solches nicht anders ausgebessert werden kann, als durch Ausnehmung des ganzen Masts; da man im Gegentheil solchen Schaden by einem Mast der eine Stenge und Bramstenge führt, sehr leicht durch eine Reserve Stenge ersetzen kann. Dieser Ursache wegen muss man die Pfahlmasten nicht sehr hoch machen und ihnen hinlängliche Dicke geben, auch insonderheit das beste Holz dazu wählen.

Die Pfahlmasten sind oftmals aus zwey Stücken zusammen gesetzt, die durch eine sehr lange Scherbe bey den Flechtlingen mit eisernen Banden und Wuhlingen verbunden sind.

Abb. 11: Kleine schwedische Bark mit einer Kraier Takelung. Die Zeichnung ist nach F. H. af Chapman und die schraffierten Linien stellen die verstärkte Takelung des Modells seiner Udenmää THORBORG dar. Zeichnung K. H. Marquardt.

Abb. 11: Kleine schwedische Bark mit einer Kraier Takelung. Die Zeichnung ist nach F. H. af Chapman und die schraffierten Linien stellen die verstärkte Takelung des Modells seiner Udenmää THORBORG dar. Zeichnung K. H. Marquardt.

Hinzugefügt muß noch werden, daß auch das Bugspriet nur aus einem Stück bestand und abgesehen von dem bereits erwähnten Kriegsschiff, keinen Klüverbaum besaß. Außerdem fuhren Katten mit Pfahlmasten zu einer Zeit (1671), in der noch die Besanrute normales Zubehör einer Schiffstakelung war, bereits eine baumlose Gaffel. Im Gegensatz zu Röding’s Beschreibung zeigt die Illustration einer Katt in seinem Werke keine Bramsegel, dafür jedoch Salinge an den Masten und eine Absteifung durch Marswanten. Diese Abbildung war bereits bei Lescallier zu finden und wurde ebenfalls von Steel benutzt. Die von van de Velde demonstrierte Takelung des 17. Jahrhunderts bestand aus verhältnismäßig langen Untermasten und kürzeren dünnen Stengen, die im Gegensatz zu den übergroßen Untersegeln nur kleine Marssegel fuhren.

Mit der Anzahl der künstlerischen Darstellungen von Barken und Katten des 18. Jahrhunderts, wird es immer wieder Vorkommen, daß gewisse historische Aussagen in Bezug auf die bekannteste aller Barken, die ENDEAVOUR, falsch ausgelegt werden. Gemeint ist cat-built Bark, eine vor dem Ankauf in offiziellen Papieren erscheinende Bezeichnung der auf der Themse zum Verkauf stehenden Schiffe. Es gab niemals eine Katt-gebaute Bark, es mag wohl katt-getakelte Barken gegeben haben, wie wir aus dem wenig später gezeichneten ersten Plan des Schiffes ersehen und aus af Chapman’s Werk entnehmen können, falls man die Polakertakelung gewohnheitssprachlich als cat-rigged bezeichnet hat.

Ein wenig Licht auf die Katt und den Unterschied zwischen diesem und ähnlichen Typen zu werfen war die Absicht dieses kleinen Ausfluges in das graue Umfeld der Schiffahrtsgeschichte.

Abb. 12: Rekonstruktionsversuch  eines  Kattschiffes  im  PRINS  HENDRIK  MUSEUM in Rotterdam,  Halbmodell Invent. Nr. M 3354.

Abb. 12: Rekonstruktionsversuch eines Kattschiffes im PRINS HENDRIK MUSEUM in Rotterdam, Halbmodell Invent. Nr. M 3354.

Abb. 13: Das selbe Modell von der Backbordseite.

Abb. 13: Das selbe Modell von der Backbordseite.

Abb. 14: Ein Kattschiff als Vollmodell. Die Masten und das Steuerrad weisen auf einen wesentlich jüngeren Typ hin. (Alle Fotos: Prins Hendrik Museum, Rotterdam).

Abb. 14: Ein Kattschiff als Vollmodell. Die Masten und das Steuerrad weisen auf einen wesentlich jüngeren Typ hin. (Alle Fotos: Prins Hendrik Museum, Rotterdam).

Abb. 15: Zeichnung eines Kattschiffes von Versteeg (1943)

Abb. 15: Zeichnung eines Kattschiffes von Versteeg (1943)

Quellennachweis:

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Lists of Men-of War 1650-1700, Part III Swedish Ships, Greenwich 1936,
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Chapman, F. H. Af
Architectura Navalis Mercatoria, Stockholm
1768, Neuauflage Rostock 1962

Duhamel du Monceau, H. L.
Deutsche Übersetzung von Müller, Ch. G. D.
Anfangsgründe der Schiffbaukunst, Berlin 1791.
Neuauflage Kassel 1973
Falconer. W. A.
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1769. Neuauflage der 4. Auflage von 1780, London 1970
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Verzameling van Vierentachtig Stuks Hollandsche Schepen, Rotterdam 1789
Harris, D. G.
F. H. Chapman, The first Naval Architect and his Work, London 1989
Hoick, P.
Lists of Men-of War 1650-1700, Part III Danish-Norwegian Ships, Greenwich 1936,
Neuauflage 1974
Jobé, J. ed.
The Great Age of Sail, Lausanne 1967
Korth, Dr. J. W. D.
Die Schiffbaukunst, Berlin 1826,
Neuauflage Kassel 1980
Lescallier, A.
Vocabulaire des Ternes de Marine Anglois & Francois, Paris 1777
MacGregor, D. R.
Merchant Sailing Ships 1775-1615, Watford 1980
Marquardt, K. H.
Eighteenth Century Rigs & Rigging, London 1992
Röding, J. H.
Allgemeines Wörterbuch der Marine, Hamburg 1793,
Neuauflage Leiden 1969
Steel. D.
Elements of Mastmaking, Sailmaking and Rigging, London 1794,
Neuauflage New York 1932
Unbekannt
Der geöffnete See-Hafen, Hamburg 1705-1706,
Neuauflage Hamburg 1989
Beschrijvende Catalogus der Scheepsmodellen en Scheepbouw-kundige Teekeningen 1600-1900, Amsterdam 1943
Witsen. N.
Aeloude en hedendaegsche scheepsbouw en bestier, Amsterdam 1671